5 überraschende Gründe, warum Kriege Kindern schaden

10. Mai 2022

Ein junger Mann sitzt mit dem Rücken zur Kamera in einem fast fertigen Bachsteinhaus

Kinder sind nicht nur Opfer der offensichtlichen Folgen von Krieg. Kriege haben langfristige und schwerwiegende Folgen für die nächste Generation.

Text: Mark Calder*, Senior Conflict and Humanitarian Policy Advisor bei World Vision UK

 

Kriege gefährden Kinder. Einerseits unmittelbar, an Leib und Leben. Es gibt aber auch weniger bekannte Gefahren, von denen Kinder in aktiven Konfliktgebieten rund um den Globus betroffen sind.

Kein Kind sollte die Schrecken des Krieges erleben müssen, doch so viele tun es. Im Jahr 2018 lebte fast jedes sechste Kind auf der Welt – 357 Millionen Kinder – in einem von Konflikten betroffenen Umfeld. Die Auswirkungen, die das Leben in einem gewaltsamen Konflikt auf Kinder hat, sind zahlreich, verheerend und nicht immer offensichtlich. Nachfolgend fünf Auswirkungen, an die nicht in erster Linie gedacht wird:  

 

1. Langfristiges Lernen 
Wir wissen, dass Krieg den Zugang von Kindern zu Bildung beeinträchtigt. Behindert ist aber auch ihr Lernen von den ersten Lebensjahren an. Kinder in vielen Teilen Syriens, in denen seit fast elf Jahren Krieg herrscht, werden manchmal als «verlorene Generation» bezeichnet, wenn es um Schulbildung geht. Die Forschung zeigt jedoch, dass sich auch die Gewalt, der eine schwangere Frau ausgesetzt ist, auf die körperliche und kognitive Entwicklung des ungeborenen Kindes auswirken kann. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass dies die schulischen Fortschritte des Kindes stärker beeinträchtigt, als wenn es in späteren Jahren direkt Gewalt ausgesetzt ist. 

 

2. Persönlichkeitsveränderung 
Werden kleine Kinder gewaltsamen Konflikten ausgesetzt, kann das zu langfristigen negativen Auswirkungen führen. Eine gesunde emotionale Entwicklung setzt voraus, dass wir wissen, dass wir unseren Eltern und Bezugspersonen vertrauen können, dass sie uns vor Schaden bewahren und unsere Grundbedürfnisse befriedigen. Dies ist die Grundlage für eine sichere Bindung und wachsende Unabhängigkeit. Doch der Krieg flösst zahllosen Kleinkindern – sei es durch den gewaltsamen Tod eines Elternteils, durch körperliche Verletzungen oder den Verlust von sicheren Schlaf- und Spielplätzen – die Angst ein, dass niemand sie tatsächlich beschützen kann. Dies kann zu extremem ängstlichen Vermeidungs- oder Risikoverhalten sowie zu Depressionen, Schlaflosigkeit und anderen Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung führen. Dies wiederum wirkt sich auf die Fähigkeit der Kinder aus, ihren Bedürfnissen (nach Unterstützung oder Ressourcen) später im Leben nachzugehen. Dies wiederum kann sich auf ihre psychische Gesundheit auswirken, wodurch ein Teufelskreis der Marginalisierung entsteht.

Bei Kindern mit Behinderungen können sich die Auswirkungen noch verstärken, da sie stärker gefährdet sind, aufgegeben zu werden und Leistungen zu verlieren, die für die Befriedigung ihrer grundlegenden Bedürfnisse wichtig sind. 

 

3. Ausbeutung 
In vielen Kriegsbildern werden Kinder als unbeabsichtigte Opfer, als «Kollateralschäden» bewaffneter Konflikte dargestellt. Aber die beunruhigende Tatsache ist, dass Kinder in Kriegszeiten oft Zielscheiben und der Gefahr der Ausbeutung ausgesetzt sind. Der soziale und staatliche Schutz ist bei den Kindern wahrscheinlich am schwächsten ausgeprägt. Die Eltern können getötet oder verletzt werden, oder sie sind verarmt und nicht in der Lage, ihre Kinder zu schützen und zu versorgen. In einem solchen Umfeld können Kinder oder ihre Bezugspersonen spezielle Risiken eingehen. Dazu kann gehören, dass ein junges Mädchen gegen Geld verheiratet wird, dass einem Kind eine frühe Heirat aufgezwungen wird oder dass die Einladung (oder der finanzielle Anreiz) einer dritten Partei angenommen wird, die verspricht, die Bedürfnisse des Kindes zu erfüllen. Oft wird ein Kind auf diese Weise zu einer/-m Hilfsarbeiter/-in, oder schlimmer noch, es wird gehandelt, sexuell ausgebeutet oder als Kämpfer/-in eingesetzt. 

 

4. Selbstbeschuldigung 
Kindersoldatinnen und -soldaten sind natürlich besonders gefährdet, körperlich verletzt und getötet, aber auch sexuell und emotional missbraucht zu werden. Wenn sie den Konflikt selbst überleben, werden sie möglicherweise eher als Täter/-in denn als Opfer inhaftiert, was die psychosozialen Auswirkungen ihrer Ausbeutung noch verstärkt. Tatsächlich zeigen Kindersoldaten/-innen in der Regel mehr Symptome psychischer Erkrankungen als Kinder, die als nicht selbst kämpfend ein ähnliches Ausmass an Traumata erlebt haben. Bei dieser und anderen Formen der Ausbeutung ist es üblich, dass Kinder sich ihres Opferstatus nicht sicher sind. Dies führt oft zu Selbstvorwürfen und jahrelangen ungesunden Beziehungen zu sich selbst und anderen. Dies ist besonders schwierig, wenn Kinder an Gräueltaten beteiligt waren.

 

5. Marginalisierung nach Konflikten 
In einem Artikel mit dem Titel «Wenn der Krieg besser ist als der Frieden» schreiben Denov und Lakor über Kinder, die durch Vergewaltigungen während des Krieges in Uganda geboren wurden, und die Stigmatisierung, die sie in der so genannten «Nachkriegszeit» ertragen mussten. Sie beschreiben «lähmende Formen von Stigmatisierung, Gewalt, sozioökonomischer Marginalisierung und sozialer Ausgrenzung, die sich langfristig auf ihr Zugehörigkeitsgefühl, ihre Identität und ihr Wohlbefinden auswirken». Die Beendigung offener Feindseligkeiten ist dringend notwendig, aber dieses extreme (wenn auch nicht ungewöhnliche) Beispiel erinnert uns daran, dass Kriegserfahrungen Kinder noch lange nach Kriegsende beeinträchtigen können. 

Aus diesem Grund bemühen wir uns, die Ursachen von gewaltsamen Konflikten zu bekämpfen, wo immer wir können, und wir beten für den Frieden, denn es sind die Kinder, die so oft die Hauptlast des Versagens der Erwachsenen tragen.

 

World Vision setzt sich für Kinderrechte ein. Unterstützen Sie uns dabei! 

 

*Mark Calder ist ein erfahrener Advocacy- und Engagement-Experte mit einem Hintergrund in der Sozialforschung im Nahen Osten. Mark Calder setzt sich leidenschaftlich dafür ein, die Entwicklungspraxis mit Wissenschaft und Forschung zu verbinden.

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