Äthiopien: kein Hunger dank Wiederaufforstung

27. April 2017

Bauer in Äthiopien auf dem Feld.

Vor wenigen Jahren war hier noch Wüste. Nun kann der Bauer das Feld landwirtschaftlich nutzen.

Die Landschaft raubt einem den Atem. Tiefe Schluchten wechseln sich mit Felsformationen und steilen Tafelbergen ab. Das Auge ist ob der vielen Eindrücke überwältigt.

Tigray liegt im Norden Äthiopiens und gehört zu den trockensten Regionen des Landes. Immer wieder wird die Provinz von katastrophalen Hungersnöten heimgesucht. Die Menschen waren oft ohne Überlebensmöglichkeiten oder Perspektiven für sich und ihre Kinder und flohen darum. Oft mussten sie hunderte Kilometer laufen, bevor sie eine Gegend erreichten, in denen es Nahrung und Trinkwasser gab. So schön die Landschaft auch ist – viele Berge und Täler sind völlig ausgetrocknet. Die Luft flimmert über der vertrockneten Erde. Hier und da ragen einzelne Büsche oder kleine Bäumchen aus dem Sand.

Der Bauer Gebre lebt in einem Tal 78 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Me’kele. «Als junger Mann gab es für mich hier keine Perspektive. Daher ging ich nach Saudi-Arabien, um Arbeit zu finden», erklärt der heute 56-jährige. Nur 2 Bauern lebten damals mit ihren Familien noch im Tal. Für mehr reichten die Ernteerträge nicht. In Saudi-Arabien sparte Gebre etwas Geld und ging dann zurück in seine Heimat. Doch auch hier war sein Leben, das seiner Frau und seiner fünf Kinder von Entbehrungen geprägt. Die eigene Ernte ernährte die Familie kaum. Gefährlich waren auch heftige Regenfälle, die zu Überflutungen und Erdrutschen führten. Unter den Wassermassen oder den abrutschenden Berghängen wurde das wenige Getreide und Gemüse begraben. Kühe und Ziegen, die an den Hängen grasten, wurden in den Abgrund gerissen.

Aus Staub und Sand wird fruchtbarer Boden
Noch vor etwa 300 Jahren war Äthiopien zu rund 60% bewaldet. Vor etwa 10 Jahren gab es nur noch ca. 3% Wald. Im Rahmen der Afrika-Initiative AFR100 will die äthiopische Regierung 15 Millionen Hektar Land wiederbegrünen. Insgesamt hat sich die Initiative zum Ziel gesetzt, bis 2030 in ganz Afrika 100 Millionen Hektar degradiertes Land wieder zu begrünen. Beteiligt sind inzwischen 22 afrikanische Länder. In Äthiopien seien mittlerweile wieder mehr als 10 % der Fläche bewaldet.

Vor drei Jahren begann World Vision mit langfristiger Entwicklungszusammenarbeit in mehreren Regionen Tigrays. Auch im Tal, wo Gebre lebt, wurde die Kinderhilfsorganisation aktiv. Als ich jetzt in die Schlucht hinabsteige, bleibe ich unten erstaunt stehen: Dort wo vor wenigen Jahren nur ausgedorrter Boden und Sand zu sehen war, wächst heute überall Gras, an den Berghängen stehen kleine Bäume. Verschiedene Vogelarten sind in der Ferne zu beobachten, wie sie nach Insekten und Würmern im feuchten Gras suchen.

Die Methode der regenerativen Wiederaufforstung, die hier angewandt wird, nennt sich FMNR (farmer managed natural regeneration) und beruht darauf, dass noch vorhandene Wurzeln wieder austreiben können. Zudem werden die Berghänge geschützt, so dass keine Ziegen und Rinder die jungen Baumtriebe mehr abgrasen können. Die Methode ist günstig und zeigt schnell Ergebnisse. Ein weiterer Vorteil ist, dass die einheimischen und an das Klima angepassten Bäume wieder zurückkommen.

World Vision setzt gemeinsam mit der Bevölkerung neben FMNR weitere Methoden der Wiederbegrünung um. So wird das Regenwasser systematisch in Auffangbecken umgeleitet. Dämme und Terrassen an den Berghängen sorgen dafür, dass das Wasser langsamer abfliesst. In kleinen Sammelbecken staut sich das Nass und kann so in den Boden einsickern. Wertvolle Nährstoffe sammeln sich hinter den Dämmen und in den Auffangbecken. Die Erde kann als natürlicher Dünger auf den Äckern genutzt werden. Mit Hilfe von Kanälen und Pumpen wird das Wasser auf die Äcker geleitet und versorgt so verschiedene Gemüsesorten wie Kartoffeln, Rüebli, Tomaten oder Kohl mit ausreichend Flüssigkeit.

Grüne Täler ernähren Familien
Um die nächste Ecke des Tals sehe ich das riesige Auffangbecken und die Wasserkanäle. Saftig grüne Wiesen reichen bis zum Horizont. Trotz der Trockenheit steht das Wasser teilweise so hoch, dass meine Schuhe nass werden.

Heute nutzen 132 Bauern das Tal für den Anbau von Gras, Getreide oder Gemüse. In den Sommermonaten werden etwa 270 Lastwagen-Ladungen à 3000 Kilogramm Gras und Heu geerntet und als Viehfutter auf dem Markt verkauft. In der Vergangenheit konnten gerade mal 3 Hektar Land genutzt werden, heute sind es 18,5 Hektar. Das Potential liegt bei 38 Hektar.

Migration ist für Gebre heute kein Thema mehr. «Für mich ist das Tal jetzt wie Saudi-Arabien», betont er. «Meine Kinder und ich werden hier nicht mehr weggehen. Es geht uns allen so gut, dass wir hierbleiben können.»

In Tigray gibt es mehr als 2000 Täler und Schluchten, in denen Wiederaufforstung möglich wäre. Eine grüne Bewegung wäre nötig, damit weltweit verdorrte und verkarstete Regionen wieder aufgeforstet und wieder begrünt werden können. Hungersnöte könnten Vergangenheit sein und Millionen Kinder müssten nicht mehr hungern und hätten eine Perspektive für sich und die nachfolgenden Generationen.

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