Der Arzt Jose in der Klinik, in der er Patienten gratis behandelt. Sie nennen ihn «Dr. Jose».
Vor vielen Jahren hat sich eine Familie dazu entschieden, eine Patenschaft für ein Kind namens Jose Nicola Ramirez abzuschliessen. Alles was sie über den Jungen wussten, war auf einer Karte abgedruckt: ein Bild, Name und Alter sowie das Land, in welchem er wohnte – die Dominikanische Republik. Für diese Familie hat sich durch den Entscheid, ein Patenkind zu unterstützen, vielleicht nicht viel verändert, wohl aber für Jose: Für ihn begann damit ein anderes Leben.
Einer Berufung folgen
Natürlich wusste Jose damals noch nicht, wie die Patenschaft sein Leben beeinflussen würde. Doch er erinnert sich, dass er glücklich war, ein Patenkind zu sein. Voll engagiert machte er in allen möglichen Angeboten von World Vision mit: von Anti-Mobbing-Kampagnen über Bildungs-Workshops bis hin zu Festen an Feiertagen in seinem Heimatdorf Batey Altagracia. Als Teenager wirkte Jose als freiwilliger «Gesundheits-Promoter» von World Vision. In einer World Vision-Schulung fasste er den Entschluss, mit der Familiengründung zu warten, bis er die Schule abgeschlossen und einen bezahlten Job hat.
Bei seinen gleichaltrigen Freunden warb Jose für gesunde Entscheidungen für ihr Leben und er entdeckte immer mehr sein Interesse an der Gesundheitsversorgung und der Medizin. Menschen zu helfen, wurde sein grosser Wunsch. Dieses Interesse verwandelte sich in ein klares Ziel, als er als freiwilliger Helfer World Vision bei einem Gesundheitsprojekt für Waisen mit HIV/Aids unterstützte. Er sagt: «Ich sah Kinder, die schwer krank waren, einige sind sogar gestorben. Sie lebten in meinem Dorf und brauchten einen Arzt. So sagte ich mir: Ich muss Arzt werden, dann kann ich diesen Leuten helfen.»
Seinem Traum folgen
Heute ist Jose 29 Jahre alt und arbeitet als Allgemeinarzt. Er lehnte es mehrmals ab, für eine Weiterbildung in ein Spital der Hauptstadt Santo Domingo zu gehen. Lieber will er den Landbewohnern helfen, die sich den langen Weg in die Hauptstadt nicht leisten können. Denn Batey Altagracia hat weder eine Klink noch ein Gesundheitszentrum in der Nähe.
Nach langen Arbeitstagen im öffentlichen Spital kommt Jose dreimal pro Woche für zwei Stunden in das Dorf zurück, in dem er aufgewachsen ist. Statt sich zu erholen und schlafen zu gehen, geht er noch eine 400 Meter zu Fuss und öffnet die Türen und Fenster eines kleinen grünen Hauses. Dieses ist voll mit gespendeten Arzneimitteln, um Asthma, Lungenentzündungen, Hautpilze und Parasiten zu behandeln. «Als Kind wollte ich Baseball-Superstar werden, nun werde ich ein Superstar-Arzt in meinem Dorf», erzählt Jose. Er behandelt jede Person in der Reihe, hört jede Geschichte der Patienten ab und spendet den Menschen seines Dorfes Hoffnung und Heilung – und dies alles für umsonst.
Jose setzt sich neben den Gratis-Behandlungen noch weiter für die Rechte und Bedürfnisse der Menschen in Batey Altagracia ein. Aktuell schafft er sich Gehör bei den lokalen Behörden, damit die Strasse, die durch das Dorf führt, geteert wird. Auch dieses Engagement wurde durch World Vision inspiriert. Schon als Teenager hatte sich Jose in verschiedenen Projekten gegen Kinderarbeit engagiert und sich für die Alphabetisierung eingesetzt. «Durch World Vision habe ich gelernt, wie ich Menschen mobilisieren kann und was unsere Bürgerrechte sind», erzählt Jose. «Die Freiwilligenarbeit hat meine Augen für die Realität in meinem Dorf geöffnet. Das war sehr hilfreich für alles, was wir bis heute erreicht haben.»
Die Familie, die Jose vor Jahren unterstützt hat, konnte nicht wissen, dass er einmal «Dr. Jose» sein würde. Aber die Patenschaft hat einen Ball ins Rollen gebracht, der weit mehr als nur Joses Leben nachhaltig verändert hat.