Text: Tamara Fritzsche, World Vision Schweiz
Mlih ist Imam in unserem Projektgebiet Sebkha in Mauretaniens Hauptstadt Nouakchott – und Botschafter gegen «Female Genital Mutilation» (Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen, kurz FGM). Durch die Sensibilisierungsarbeit von World Vision hat er von den Gefahren von FGM erfahren. Grossmütter, Väter, Grossfamilien und Gemeindeleiter zwingen Mädchen und junge Frauen dazu, beschnitten zu werden, damit sie in ihrer Gesellschaft als «sauber» und «ehebereit» gelten. Wer nicht beschnitten ist, gilt als unrein und wird von der Gesellschaft verstossen.
Gehör verschaffen
Imame gelten als religiös-politische Oberhaupte der islamischen Gemeinschaft. Als Imam geniesst Mlih grosses Ansehen in der streng muslimischen Gesellschaft Mauretaniens, wo sich fast 100 Prozent der Bevölkerung zu den sunnitischen Muslimen zählen. Auf ihn hören die Leute. Seine Stellung hat eine besonders wichtige Rolle im Kampf gegen FGM: Spricht er sich als Imam gegen FGM aus, rüttelt er an Jahrhunderte alten Traditionen – und findet Gehör. Religiöse Überzeugungen und Prinzipien haben starke Einflüsse auf das individuelle Verhalten und das gemeinschaftliche Handeln, einschliesslich schädlicher Praktiken wie FGM. «World Vision hat mich über die Gefahren von Frühheirat und FGM aufgeklärt. Ich konnte bereits einige Fälle verhindern», sagt Mlih. In einigen Fällen besucht er Familien, um das Thema aus rechtlicher religiöser und sozialer Sicht zu erläutern und die negativen Effekte aufzuzeigen. Neben seelischen Verletzungen verursacht FGM bei den Mädchen oder jungen Frauen starke Schmerzen, Blutungen und Schwellungen. Langfristig führt die Verstümmelung zu chronischen Beckeninfektionen, Harnwegsinfektionen und Geburtskomplikationen bei Müttern und Kindern. Mlih erklärt den Familien, dass Genitalverstümmelung illegal ist und dass die schädliche Praxis vom Koran nicht gefordert wird.
Eine grausame Praxis
Die Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen wird häufig unter primitivsten und unhygienischen Bedingungen und ohne Betäubung durchgeführt. FGM bringt aber keine gesundheitlichen Vorteile, ist medizinisch nie notwendig und wird weder von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) noch von den meisten Regierungen und medizinischen Fachgesellschaften toleriert. Dennoch wird FGM auch heute noch in 30 Ländern in Afrika, im Nahen Osten und in Asien praktiziert. Ägypten, Äthiopien, Nigeria und der Sudan machen etwa 42 Prozent aller Fälle aus. Migranten haben die traditionelle Praxis mit in andere Länder Europas und Amerikas getragen.