Als die Erde am Himalaya am Samstag zu beben begann, stand Sandhya zusammen mit Freunden vor der Haustür ihres Elternhauses. Ihre Familie war gerade in der Stadt unterwegs, einzig ihr sehbehinderter Onkel befand sich noch im Haus.
Kurz nachdem der Boden zu zittern begonnen hatte, sah Sandhya eine Staubwolke über Lalitpur aufsteigen. Ohne zu zögern eilte sie ins Hausinnere um ihren Onkel nach draussen zu holen. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie noch nicht, was mit ihrer Familie passiert war. «Als wir wieder draussen auf der Strasse waren, kam mein Grossvater angerannt und erzählte, dass wohl alle einen sicheren Ort gefunden hätten. Aber meinen Bruder Sayan konnten sie nicht finden», erinnert sich Sandhya an die Minuten unmittelbar nach dem Erdbeben.
Der 9-jährige Sayan spielte gerade mit seinen Freunden auf einem nahegelegenen Feld, als die Erde bebte. Unbeschadet, aber unter Schock stehend machte er sich auf, um seine Eltern zu finden. «Wegen all dem Staub konnte ich sie aber nirgends entdecken», erklärt er.
Mutter Sabi hatte unterdessen einen sicheren Unterschlupf gefunden und machte sich grosse Sorgen um ihren Sohn. Als sich der Staub gelegt hatte, machte sie sich schliesslich auf die Suche nach ihrem jüngsten Kind. Drei Stunden später fand sie ihn dann endlich, «weinend, schmutzig und völlig verschwitzt», wie sie sich erinnert.
Inzwischen hatte sich Sandhya mit den anderen Familienmitgliedern ein Bild von den Schäden am Haus gemacht. «Wir können nicht mehr dort wohnen, es ist zu unsicher.» Auch wenn das Haus repariert würde, hätte sie Angst vor weiteren Beben, sagt sie und fügt traurig hinzu: «Ich möchte zurück nach Hause, aber das gibt es nicht mehr. Ich vermisse mein Zimmer und das gute Essen meiner Mutter.»
Seit jenem Samstag lebt Sandhyas Familie mit 200 anderen Menschen in einem Zeltlager am Rande der Stadt. Die kühlen Temperaturen und der häufige Regen machen der Familie zu schaffen. «Ich mag gar nicht zu unserem kaputten Haus zurückkehren, obwohl meine Mutter dringend einige Gegenstände braucht», erklärt Sandhya.
Mutter Sabi weiss derweil nicht, wie lange ihre Familie noch im Zeltlager ausharren muss: «Wenn die ersten Familien von hier wieder zurück in ihre Häuser gehen, werden wir das wohl auch machen.» Zuerst muss ihr altes Haus aber noch repariert werden.
Provisorische Unterkünfte wie jene von Sandhya und ihrer Familie sind nach der Katastrophe für unzählige Familien der einzige Zufluchtsort. World Vision stellt den Betroffenen unter anderem Blachen und Decken zur Verfügung.