An meinem zweiten Tag in Malakal wollen wir nach Kodok, einem weiteren Ort am Nil, in dem 20 000 Flüchtlinge leben und wo World Vision ebenfalls mit einem Hilfsprojekt präsent ist. Da gerade Regenzeit ist und die Strassen nicht passierbar sind, nutzen wir unser Boot. Nach etwa einer halben Stunde auf dem Nil ziehen sich Wolken über uns zusammen.
Binnen Sekunden wird es dunkel, ein gewaltiger Regenschauer kommt herab. Wir sind ihm schutzlos ausgesetzt, und als wir nach einer Stunde endlich in Kodok ankommen, ist unser Boot mit Wasser vollgelaufen. Wir sind bis auf die Knochen nass. Wir wärmen uns kurz mit einem Tee auf und machen uns direkt an die Arbeit: Eine Filteranlage muss angeschlossen werden, die es den Gemeinden erlaubt, das Wasser aus dem Fluss zu filtern, bevor es zum Trinken oder Kochen genutzt wird.
Als wir am frühen Abend wieder im Flüchtlingslager in Malakal ankommen, haben sich die Wege zwischen den Zelten durch den Regen zu wadentiefen Schlammmassen verwandelt. Überall schwimmen Fäkalien. Wir kämpfen uns durch den Matsch – die Flüchtlinge laufen alle barfuss.
Vom Glück einer heissen Dusche
Die Woche ist mit Arbeit von Sonnenaufgang bis spät in die Nacht gefüllt, und neue Herausforderungen und Probleme warten an jeder Ecke. Als ich nach einer guten Woche zurück nach Juba fliege, in unser Landesbüro, wo ich als Koordinatorin unseren Hilfseinsatz plane und organisiere, bleiben meine Kollegen zurück. An diesem Abend weiss ich meine warme Mahlzeit, die heisse Dusche und das eigene Bett sehr zu schätzen – sicherlich mehr als zuvor – und ich denke an mein Team in Malakal und die Verhältnisse, in denen meine Kollegen leben – ohne festes Dach überm Kopf, mit einem ständigen Hungergefühl im Bauch und knappem Wasser, ohne medizinische Versorgung, mit einem harten langen Arbeitstag, ohne Privatsphäre und Privatleben. Die eigene Familie sieht man monatelang nicht, und ohne Internet ist es sehr schwer für unsere Kollegen, Kontakt mit ihren Liebsten zu halten.
Ich denke darüber nach, warum viele von uns diesen Lebensweg gewählt haben und warum wir einen so grossen Teil unseres Lebens aufgeben, um Menschen an solchen Orten und unter solchen Umständen zu helfen. Welche Motivation steckt dahinter? Ich kann diese Frage nicht beantworten, aber ich weiss, dass viele von uns all diese Dinge auf sich nehmen, weil wir aus tiefstem Herzen daran glauben, dass wir mit unserer Arbeit etwas an der Situation der betroffenen Menschen ändern können, mögen uns noch so viele Steine in den Weg gelegt werden.
Und am Ende des Tages bin ich unglaublich stolz auf unser so hart arbeitendes Team in Malakal – mein nächster Flug ist schon gebucht.
Hier gehts zum Teil 1 meiner Erlebnisse in Malakal.
World Vision versorgt die Menschen im Flüchtlingscamp Malakal und anderen Regionen im Südsudan sowohl mit Lebensmitteln als auch anderen überlebenswichtigen Hilfsgütern wie Trinkwasser, Plastikplanen, Kochtöpfen oder Decken. Von World Vision betreute Kinderschutzzonen bieten für die Kinder eine sichere Lern- und Spielumgebung. World Vision Schweiz konnte bisher gemeinsam mit dem Welternährungsprogramm der UNO (WFP) rund 10 000 Tonnen Nahrungsmittel an die notleidenden Menschen verteilen.