Der Bericht der internationalen Kinderhilfsorganisation World Vision belegt die verzweifelte Lage vieler geflüchteter Familien, die weniger oder keine Nahrungsmittel mehr erhalten.

Meine Tochter wollte Lehrerin werden, aber jetzt verbringt sie ihre Tage damit, nach Resten zu suchen, die sie auf dem Markt verkaufen kann. 

So beschreibt die Mutter eines 12-jährigen Mädchens in einem Flüchtlingslager in Uganda, wie sich finanzielle Kürzungen von humanitärer Hilfe auswirken. Die Ausbildung des Mädchens, grösste Chance auf Eigenständigkeit, muss für den Kampf ums tägliche Überleben geopfert werden.

Der aktuelle Bericht von World Vision belegt die verzweifelte Lage vieler geflüchteter Familien, die weniger oder keine Nahrungsmittel mehr erhalten.

„Wir stehen mitten in einer humanitären Krise – und dennoch bleibt sie weitgehend unbeachtet“, warnt Daniel Winzenried, CEO World Vision Schweiz und Liechtenstein, und ergänzt: „Diese Familien haben so viel verloren – und jetzt entziehen wir ihnen durch die weltweiten Kürzungen auch noch die lebenswichtige Nahrungsmittelhilfe.“

Der Bericht von World Vision zeigt, wie insbesondere vertriebene Kinder und Familien in 13 Krisenregionen unter wachsender Not, Hunger, Kinderarbeit, früher Heirat und Bildungsabbruch leiden. Die zwischen Januar und April 2025 durchgeführte Erhebung bei mehr als 5’000 Haushalten von Geflüchteten, Binnenvertriebenen und Gastfamilien besagt:

Einige Ergebnisse der Befragungen im Überblick

  • 58 % der befragten Familien leiden unter akuter Nahrungsknappheit
  • Fast die Hälfte gab an, tagelang nichts zu essen gehabt zu haben
  • In Südsudan meldeten 97 %, dass mindestens ein Familienmitglied in den letzten Wochen einen ganzen Tag und eine Nacht ohne Nahrung auskommen musste

Der Bericht zeigt auch, wie Hunger Kinder in ausbeuterische oder gefährliche Situationen zwingt:

  • Kinder in hungernden Haushalten sind achtmal häufiger von Kinderarbeit betroffen
  • Die Wahrscheinlichkeit für Frühverheiratung ist sechsmal höher
  • Die psychischen Belastungen sind massiv: 38 % der Familien berichten von erhöhter Angst, Depressionen oder Verhaltensauffälligkeiten bei ihren Kindern

„Wir erleben nicht nur eine Hungerkrise“, sagt Winzenried, „sondern die systematische Zerstörung von Kindheit. Kein Kind, das hungert, kann lernen. Kein Kind, das arbeitet, kann aufblühen. Ein Mädchen, das mit 13 verheiratet wird, verliert ihre Zukunft, bevor sie begonnen hat.“

World Vision ruft zum Handeln auf

Die Organisation fordert internationale Geberstaaten und Entscheidungsträger dringend auf:

  • Humanitäre Hilfe wieder aufzustocken
  • Vertriebene Menschen dabei zu priorisieren
  • Langfristige Lösungen zu stärken, um Resilienz aufzubauen und Kinder zu schützen

„Jede gekürzte Ration bedeutet: ein Kind isst nicht. Eine Mutter verzichtet. Eine Familie hungert. Das sollen wir hinnehmen? Ich sage: Nein!“, so Winzenried.

Hintergrund zum Bericht

Die neue Untersuchung baut auf dem Bericht „Ration Cuts – Taking from the Hungry to Feed the Starving“ aus dem Jahr 2024 auf.

In Zusammenarbeit mit dem Welternährungsprogramm (WFP) befragte World Vision Menschen in 13 Ländern, darunter Syrien, Bangladesch, Myanmar, Somalia, Südsudan und die DR Kongo.

Neben Haushaltsumfragen wurden auch Fokusgruppen und Expert*inneninterviews durchgeführt. Der Bericht zeigt Zusammenhänge zwischen Kürzungen bei Nahrungsmittelhilfe und Bereichen wie Bildung, Kinderschutz und psychische Gesundheit.

Hier können Sie den Bericht herunterlanden (in Englisch)