Was passiert, wenn Sie soziale Normen für immer verändern

6. Januar 2023

4 Mädchen mit traditioneller, bunter chinesischer Kleidung

Text: Aimée Pearce und Elissa Webster, World Vision International, Monika Hartmann, World Vision Schweiz und Liechtenstein

 

Sich am Ende einer Warteschlange anstellen und warten, bis man an der Reihe ist, um einen Kaffee zu bestellen. Die Hand schütteln, wenn man jemanden kennenlernt (ausser in Corona-Zeiten). Es gibt Dutzende ungeschriebener Regeln, die die Art und Weise bestimmen, wie wir mit anderen Menschen umgehen – und an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten gelten andere Regeln. Meistens befolgen wir diese Regeln, ohne es überhaupt zu merken. 

 

Soziale Normen sind mächtig – sie sind Teil dessen, was eine Gemeinschaft ausmacht. Das heisst aber nicht, dass sie immer gleich bleiben oder bleiben sollten – soziale Normen verändern sich im Laufe der Zeit, wenn sich Ideen und Werte der Menschen ändern. Das kann eine gute Sache sein, denn nicht alle Normen sind positiv. 

 

Wenn soziale Normen gefährlich sind

Gewisse gesellschaftliche Normen stellen eine Gefahr oder sogar eine Form der Gewalt für Kinder dar. Praktiken wie Kinderheirat, schädliche Initiationsriten wie z.B. Mädchenbeschneidung und erniedrigende Erziehungsmethoden oder risikoreiche traditionelle Heilmethoden sind immer noch weit verbreitet. Sie schaden nicht nur der körperlichen Gesundheit der Kinder, sondern erschweren oder verunmöglichen ihnen auch einen Weg aus Armut heraus in ein selbstbestimmtes Leben. In vielen Kulturkreisen leiden die Mädchen besonders unter gefährlichen sozialen Normen.

 

Soziale Normen verändern

Es ist nicht einfach, soziale Normen zu ändern, aber es ist eine der wirksamsten Möglichkeiten, das Leben von Kindern zu verändern. Aus diesem Grund arbeiten wir in unseren langjährigen, durch Patenschaften finanzierten Entwicklungsprojekten mit Gemeinderäten und Leitern von Glaubensgemeinschaften zusammen, um die soziokulturellen Normen, Überzeugungen und Praktiken zu beeinflussen. So erhalten die Normen Auftrieb, die sich positiv auf das Wohlergehen der Kinder auswirken. Aber gegen die schädlichen setzen wir uns vehement ein. 

 

So sieht es aus, wenn man negative soziale Normen ändert: 

 

1.            Kinder sind besser geschützt 

Bestimmte soziale Normen können dazu führen, dass Kinder missbraucht und ausgebeutet werden. Ein Beispiel dafür ist die gefährliche weibliche Genitalbeschneidung (FGM = Female Genital Mutilation), die in einigen Kulturkreisen eine tief verwurzelte traditionelle Praxis ist. Mädchen werden oft durch sozialen Druck gezwungen, sich beschneiden zu lassen, denn in manchen Kontexten glaubt man, dass FGM ein Mädchen zu einer attraktiveren Ehefrau macht. 

 

Wenn Praktiken wie Genitalverstümmelung, Kinderarbeit oder Kinderheirat tief in einer Kultur verwurzelt sind, ist es schwer für das Kind, seine Eltern und die Verantwortlichen in der Gemeinschaft, etwas zu ändern. In unseren Entwicklungsprojekten lernen Kinder jedoch ihre Rechte kennen und sich für deren Schutz einzusetzen. Durch Programme wie Channels of Hope tragen wir dazu bei, Glaubensgemeinschaften zu mobilisieren. Denn sie sind in ihren Gemeinden oft sehr einflussreich und können direkte, kollektive Massnahmen ergreifen, um soziale Normen zu ändern und Kinder zu schützen. 

 

 Mädchen in Kenia mit gemusterten Umhängen singen ein Lied.

Mädchen in Kenia nehmen an einer Abschlussfeier des Programms für alternative Initiationsriten teil. Im Rahmen dieses Programms werden Jungen und Mädchen angeleitet, ihre Altersjubiläen oder andere wichtige kulturelle Ereignisse zu feiern, ohne schädliche Traditionen wie weibliche Genitalverstümmelung (FGM) und Kinderheirat weiterzupflegen.

 

2.            Die Familien sind stärker

Soziale Normen, die die Rollen von Frauen und Männern in ihren Familien und Gemeinschaften einschränken, können sich auch auf Kinder nachteilig auswirken. Wenn nur Frauen als Betreuerinnen fungieren können, entgeht den Kindern der Einfluss und die Aufmerksamkeit ihrer männlichen Familienmitglieder. Wenn nur Männer finanzielle Entscheidungen in einem Haushalt treffen können, entgehen den Familien die Perspektiven und Prioritäten der Frauen in der Familie. Wenn Eltern darauf konditioniert werden zu glauben, dass es eine Schwäche ist, Zuneigung zu zeigen oder mit ihren Kindern zu spielen, fehlen den Kindern die Liebe und Fürsorge, die sie zum Gedeihen brauchen. 

 

Unsere Entwicklungsprojekte tragen dazu bei, diese sozialen Normen zu hinterfragen. Wir lancieren in den Projektgebieten diverse Initiativen, damit die Menschen andere Verhaltensweisen und Rollenmuster kennen- und umsetzen lernen. Schulungen für positive Erziehung für Eltern und Erziehungsberechtigte fördern gesunde Beziehungen. Spargruppen verhelfen den Frauen zu finanzieller Eigenständigkeit. Sie erhalten auch Schulung und Betreuung bei der Gründung eigener kleiner Unternehmen, die zum Familieneinkommen beitragen. Dies alles mit dem Ziel, dass Kinder mit der Unterstützung aufwachsen können, die sie zum Gedeihen brauchen. 

 

 Ein Vater spielt mit seinem Sohn auf einem Acker mit einem Metallreifen und einem Stab.

Ein Vater in Malawi spielt mit seinem kleinen Sohn. Wenn sowohl Männer als auch Frauen die Freiheit haben, sich die verschiedenen Aufgaben eines Haushalts zu teilen – von der Pflege über die Hausarbeit bis hin zu finanziellen Entscheidungen – profitieren die Kinder davon.

 

3.            Mädchen werden eher als gleichberechtigt angesehen

Die Welt ist immer noch kein gleichberechtigter Ort für Mädchen und Jungen. Das gilt vor allem für Mädchen, die in Ländern mit niedrigem Einkommen leben. Nach Angaben von UNICEF gehen 129 Millionen Mädchen nicht zur Schule. In nur 49 % der Länder gehen gleich viel Mädchen wie Jungen in die Primarschule. Auf der Sekundarstufe II sinkt die Zahl der Mädchen auf nur 24 %. Familien, die in Armut leben, ermöglichen eher ihren Söhnen eine Schulbildung. Die Mädchen hingegen sind einem höheren Risiko der Frühverheiratung ausgesetzt. 

 

Unsere Entwicklungsprojekte setzen sich dafür ein, die sozialen Normen, die Mädchen in ihrer freien Entwicklung zurückhalten, in Frage zu stellen. Sie sorgen dafür, dass die Mädchen ihre Rechte kennen und ihre Stimme erheben können, um sich vor allen Formen von Gewalt und Ausbeutung zu schützen, und sie klären Familien und Gemeinschaften über die Bedeutung der Bildung für Mädchen auf. 

 

 Eine Gruppe junger Mädchen steht mit verschränkten Armenn auf einer Strasse.

Die 12-jährige Sheyla (Mitte) kämpft für die Rechte von Mädchen in ihrem Wohnort in Guatemala. Als Vorsitzende des Kinderforums setzt sie sich für die Anerkennung der Rechte von Mädchen ein und hofft, ein sichereres Umfeld für alle Kinder zu schaffen.

 

4.            Kinder haben eine bessere Gesundheit

Soziale Normen können die Einstellung zur Gesundheitsfürsorge prägen und dazu führen, dass Kinder einem erhöhten Risiko schwerer, vermeidbarer Krankheiten ausgesetzt sind. In einigen Bevölkerungskreisen können traditionelle Medizin und Behandlungen, zögerliche Impfungen oder Fehlinformationen, Scham und Stigmatisierung im Zusammenhang mit bestimmten Krankheiten eine Bedrohung für die Gesundheit der Kinder darstellen. 

 

Unsere durch Patenschaften finanzierten Entwicklungsprojekte vermitteln den Gemeinden Zugang zu besseren Gesundheitsdiensten. Unsere lokalen Mitarbeitenden arbeiten mit den Verantwortungsträgern der Gemeinden zusammen, um soziale Normen zu schaffen, die die Nutzung dieser Dienste unterstützen. So tragen Kinderpatenschaften dazu bei, dass Kinder gesund und stark aufwachsen. 

 

Letztes Jahr wurden in Mauretanien 74 % der Geburten in unseren Entwicklungsprojekten von einer ausgebildeten Geburtshelferin begleitet, verglichen mit nur 30 % bei Familien in den anderen ärmsten Gegenden des Landes. Mindestens 95 % der schwangeren Frauen in unseren Entwicklungsprojekten in Kenia und Tansania erhielten einen HIV-Test, um die Übertragung von der Mutter auf das Kind zu verhindern. Schritt für Schritt, Gespräch für Gespräch, haben diese Massnahmen enorme Auswirkungen auf die Gesundheit und die Zukunft der Kinder.

 

 Ein kleiner Junge steht auf einer Waage, umgeben von Frauen und Kindern

Eine Dorfgesundheitsgruppe in Kambodscha wiegt regelmässig die kleinen Kinder, um zu sehen, ob sie sich gesund entwickeln. In der Gruppe lernen die Mütter, wie sie ihre Kleinkinder altersgerecht und ausgewogen ernähren sowie ihre Gesundheit stärken. 

 

 

Durch unsere langjährigen Entwicklungsprojekte ermöglichen Patinnen und Paten es vielen Dorfgemeinschaften, positive Veränderungen für die Kinder zu bewirken. Werden Sie sich uns anschliessen?

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