Vergessene Krise: 9,2 Mio. Menschen auf der Flucht

15. Dezember 2016

Familie in einem Flüchtlingslager im Niger

Wie Baraka und ihre Familie mussten 9 Millionen weitere Menschen vor den Kämpfen am Tschadsee flüchten.

In den Ländern Nigeria, Niger, Tschad und Kamerun spitzt sich die Situation immer weiter zu. Beinahe 10 Millionen Menschen befinden sich auf der Flucht vor sich gegenseitig bekämpfenden militanten Gruppen und benötigen dringend Hilfe. Die Geflüchteten mussten all ihr Hab und Gut zurücklassen und konnten oft nur ihr Leben retten. Unter ihnen sind etwa 1,4 Millionen Kinder, die dringend Nahrungsmittel benötigten. Viele wurden von ihren Eltern getrennt und sind nun allein unterwegs.

«Allein reisende Kinder sind besonderen Gefahren, wie sexuellem Missbrauch ausgesetzt. Auch können sie nicht mehr zur Schule gehen und sind oft krank», so Kathryn Taetzsch, Leiterin der Humanitäre Hilfe von World Vision für die Katastrophe am Tschad-See. «Viele Geflüchtete leben derzeit unter Bedingungen, in denen sich Krankheiten wie Cholera, Masern, Meningitis und Gelbfieber gut ausbreiten können. Manche Kinder sind verletzt oder behindert und traumatisiert und benötigen daher neben medizinischer Betreuung auch psychologische Hilfe.» Sie beklagt, dass über diese Katastrophe kaum berichtet werde und daher kaum Hilfe die Menschen erreiche. Taetzsch betont: «Zusätzlich zu ihrer täglichen Sorge, wie sie ihre Kinder und sich ernähren können, leben die Geflüchteten in ständiger Angst vor brutalen Überfällen. Viele Menschen haben keine Hoffnung mehr, dass sich die Situation zum Positiven verändern könnte.»

Wer flüchtet, wird erschossen
Eine, die die Hölle selber erlebt hat, ist die 13-jährige Baraka. Sie ging eines Tages auf den Markt in der nigerianischen Grenzstadt Damasak, als plötzlich Schüsse fielen und Panik ausbrach. «Mit meiner Mutter und einigen meiner Geschwister eilte ich zum Fluss, um nach Niger herüberzuschwimmen.» Aber das sollte ihnen nicht gelingen: Am Flussufer standen bewaffnete Männer, die ihnen befahlen, ins Dorf zurückzugehen. «Dort brachten sie uns in ein grosses Haus. Alle weinten. Jeder der zu flüchten versuche, würde erschossen.» Nach einem Tag nutzten Baraka, die Mutter und einige Geschwister eine Unaufmerksamkeit der Wächter und ihnen gelang die Flucht. Erst zwei Monate später stiessen auch der Vater und ein Bruder zu ihnen.

In Gagamari war das Leben voller Elend. Die Menschen lebten dicht gedrängt und es gab nicht genug zu essen. Sie fühlten sich schutzlos vor möglichen Angriffen auf den Ort. Für viel Geld brachte ein LKW-Fahrer die Familie in ein anderes Flüchtlingslager. «Hier im Lager ist es sicherer als zuhause», sagt Baraka. In einer Kinderschutzzone von World Vision kann sie nun spielen und lernen. « Die Spiele hier sind ganz andere, als die, die wir zuhause spielten. Aber ich liebe sie und ich bin immer glücklich, wenn ich in die Kinderschutzzone gehen kann.»

World Vision fordert die internationale Gemeinschaft auf, dringend Mittel für die Menschen in dieser vergessenen Katastrophe zur Verfügung zu stellen. «Je länger es dauert, bis Hilfe hier ankommt, desto höher werden die finanziellen Kosten und desto schlimmer das menschliche Leid», erläutert Taetzsch. Hunderttausende Kinder, die nicht genug zu essen bekämen, würden in ihrem Wachstum zurückbleiben und ihr Leben lang unter den Kriegsfolgen zu leiden haben.

Jahrzehntelange Arbeit in Gefahr
World Vision baut derzeit die Hilfsmassnahmen für die bedürftigsten intern Vertriebenen und Geflüchteten in den Gastgemeinden am Tschad-See weiter aus, um 300 000 Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Im Fokus stehen Projekte im Bereich Nahrungsmittel- und Trinkwasserversorgung, sowie Hygiene und Gesundheit. Zudem werden Kinderschutzzonen errichtet, in denen Kinder spielen, zur Ruhe kommen und sich auch psychologisch betreuen lassen können. Auch kümmert sich die Organisation um Bildungs- und Ausbildungsprojekte, sowie Einkommen fördernde Massnahmen. Mit der Wiederbegrünungsmethode FMNR (Farmer Managed Natural Regeneration) sollen Ackerböden wieder fruchtbar gemacht und Wälder wieder aufgeforstet werden.

Die Not sei jedoch zu gross, um alle Menschen zu erreichen, betont Taetzsch. «Diese Krise kann dazu führen, dass die Erfolge von jahrzehntelanger Entwicklungszusammenarbeit zunichtegemacht werden, wenn die internationale Gemeinschaft jetzt nicht schnell reagiert.» Auch müsse in mittel- und langfristige Hilfe investiert werden, um Gemeinden in Bezug auf Klima bedingte Katastrophen zu stärken. Des Weiteren seien Projekte zum Kinderschutz, in Bezug auf Bildung und Ausbildung und Frieden fördernde Aktivitäten, wichtig sowie Einkommen schaffende Aktionen.

Die Länder um den Tschad-See gehören zu den ärmsten der Welt. Die Bevölkerung hatte in diesem Jahr schon unter den Auswirkungen des Klimawandels zu leiden. Sauberes Trinkwasser ist knapp und die geringen Ernteerträge führen auch bei der regulären Bevölkerung zu Unterernährung und vermehrtem Auftreten von Kinderkrankheiten. Die katastrophalen Strassenverhältnisse und lange Entfernungen zwischen Dörfern erschweren die Marktzugänge für die Bauern, aber auch für die Hilfsmassnahmen.

TV-Hinweis, Samstag, 17.12.2016, arte, ab 17:05 Uhr: innerhalb von «ARTE Reportage» beleuchtet eine Dokumentation Niger, «Ein Land in Not».

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