Über zwei Jahre ist es her, seit Abdul und seine vier Geschwister aus Syrien fliehen mussten. Drei Tage sass die Familie im Auto, in dem sie die jordanische Grenze erreichten. Nach einem weiteren Tagesmarsch zu Fuss kamen sie endlich in der nordjordanischen Grossstadt Zarqa an. «Es war extrem schwer», erinnert sich Abdul. Sein Vater hatte Syrien nicht verlassen wollen – vor vier Monaten wurde er getötet.
Zuhause in Syrien hatte die Familie ein komfortables Leben geführt. «Wir hatten unser eigenes Haus. Von uns fünf Kindern hatte jedes sein eigenes Zimmer», erinnert sich Abdul. «Ich vermisse alles von zuhause, die ganze Umgebung. Meine Cousins und Cousinen, meine Geschwister und ich, wir spielten zusammen unter den riesigen Pinienbäumen in der Nähe unseres Hauses, und dann sass die ganze Familie zusammen und trank Tee.»
Kinderschutzzone hilft bei der Verarbeitung
Die Kinderschutzzone von World Vision hilft Abdul, die schrecklichen Erinnerungen an den Krieg zu verarbeiten. Ihm und dutzenden weiterer syrischer und jordanischer Flüchtlinge bietet der Jugendraum die dringend benötigte psychosoziale Unterstützung. «Viele Kinder, die hier herkommen, sind traumatisiert und verängstigt. Sie sind normalerweise sehr leise und reden nicht viel», erklärt Ameena, die Koordinatorin der Schutzzonen in Zarqa. «Der Krieg hat in den Jugendlichen Schmerz, Wut und Hass erzeugt», beschreibt Ameena die schwierige Situation. In den Schutzzonen können sie diese Gefühle überwinden und durchlaufen einen Prozess des Vergebens und des Annehmens.
World Vision betreibt die Kinderschutzzonen für Teenager zusammen mit der australischen Organisation AusAid seit Januar 2014. Zurzeit besuchen die Räumlichkeiten mehr als 150 syrische und jordanische Teenager.
Konflikte unter den Jugendlichen
Die plötzliche Flut syrischer Flüchtlinge hat auch Auswirkungen auf die jordanischen Kinder, vor allem in Zarqa, wo sehr viele Syrer Zuflucht gesucht haben und wo schon vorher viele palästinensische Flüchtlinge gelebt haben. Dadurch gibt es immer wieder Konflikte unter den Teenagern. «Ich kann mich hier auf der Strasse nicht so frei bewegen wie damals zuhause. Die Kinder hier machen sich über mich lustig oder ärgern mich», meint Abdul traurig. In der Kinderschutzzone wird dieses Thema auch angegangen. «Um Kindern zu helfen, diese Gräben zu überwinden, führen wir viele Gruppenaktivitäten durch, bei denen sie zusammenarbeiten», erklärt Ameena.
Abdul hat viele Träume für die Zukunft. Er möchte Architekt oder Chirurg werden. «Ich will ein ehrlicher Architekt sein», präzisiert er. «In Syrien gibt es viele Gebäude, die beim geringsten Widerstand einstürzen. Aber ich will starke Häuser bauen, ohne jemanden zu hintergehen.» Zudem will er schwimmen lernen. Doch am meisten träumt Abdul davon, nach Syrien, nach Hause, zurückzukehren.