RUANDA, 25 JAHRE NACH DEM VÖLKERMORD

7. April 2019

Ruanda: zwei Freunde gehen einen Weg hinunter

VERGEBUNG: DIE NACHBARN ANDRE UND CALLIXTE, EINER OPFER DER ANDERE TÄTER IM VÖLKERMORD-MASSAKER, FANDEN DURCH DAS VERSÖHNUNGSPROGRAMM IN RUANDA WIEDER ZUSAMMEN.

Text: Kathryn Reid, World Vision UK

Vor 25 Jahren, im April 1994, brach in Ruanda die Gewalt aus. Freunde wurden zu Feinden, Nachbarn zu Mördern, Liebe zu Hass. Zwischen 800’000 und 1 Million Menschen fanden während der 100 Tage dauernden Schlächterei den Tod. Fünfundsiebzig Prozent der Tutsi-Bevölkerung wurden getötet. Wie kann ein Volk einen solchen Hass überwinden? Wie ist Versöhnung überhaupt noch möglich?

Noch 1994, gleich nach dem Ausbruch des Terrors, begann World Vision mit der Hilfs- und Entwicklungszusammenarbeit in dem vom Krieg zerrütteten Ruanda. Als zwei Jahre später tausende geflohene Familien begannen, wieder in ihre Dörfer in Ruanda zurückzukehren, war die Versöhnung und Friedensförderung von Anfang an eines der wichtigsten Ziele. World Vision gründete in Ruanda dafür eine spezielle Abteilung – mit Erfolg. Langsam wichen die Feindseligkeiten der Vergebung und allmählich wuchsen die Dorfgemeinschaften wieder zusammen.

Wie kam es zu diesem Ausbruch von Hass und Gewalt?

Schon während der Kolonialherrschaft bestanden zwischen den bäuerlich lebenden Hutus und den rinderzüchtenden Tutsis latente Spannungen. Die Hutus waren in der Mehrheit, obwohl die Tutsis im Allgemeinen über mehr Reichtum und eine höhere soziale Position verfügten. 1959 führte dann ein Hutu-Aufstand zum Bürgerkrieg, der die Tutsi-Herrschaft beendete. Als Ruanda 1962 die Unabhängigkeit von Belgien erlangte, flohen 120’000 Ruander – meist Tutsis – aus dem Land. Hutu-Führer übernahmen die Kontrolle über Ruanda. Ab Ende der 1980er Jahre versuchten Gruppierungen von Rückkehrern politisch und militärisch wieder im Land Fuss zu fassen. Die Friedensversuche der Vereinten Nationen und regionaler afrikanischer Regierungen blieben erfolglos.

Als am 6. April 1994 der ruandische Präsident Juvenal Habyariman, und der burundische Präsident Cyprien Ntaryamira, beide Hutus, beim Rückflug von Friedensverhandlungen durch einen Raketenangriff getötet wurden, kam es zur Eskalation. Es folgte eine 100-tägige Welle brutaler Gewalt, hauptsächlich von Hutus gegen Tutsis und moderat eingestellte Hutus.

Das Land war am Boden zerstört, die Überlebenden physisch und psychisch zutiefst verletzt. Familien wurden zerstört, ihre Häuser und Gemeinden verwüstet. Bis zu zwei Millionen Menschen flohen aus Ruanda, darunter auch viele Hutus, die sich am Völkermord beteiligt hatten. Eine Million Menschen wurden innerhalb des Landes vertrieben. Unter den Überlebenden befanden sich 75’000 Kinder, die einen oder beide Elternteile verloren hatten. Neben der Soforthilfe für die Vertriebenen kümmerte sich World Vision vor allem auch um diese Kinder.

Frieden und Versöhnung im Fokus

Um den tiefen Graben zwischen den Volksgruppen zu überbrücken und eine gemeinsame Aufbauarbeit wieder möglich zu machen, entwickelte World Vision ein spezielles Friedensförderungs- und Versöhnungsprogramm. Alle World Vision Mitarbeitenden wurden darin geschult und friedensfördernde Massnahmen in alle Aktivitäten integriert. Das war der Grundstein, auf dem sich viele Familien und Gemeinschaften wieder ein Leben aufbauen konnten.

Der Versöhnungsprozess folgte einem spezifischen Modell, das bis heute Bestand hat: Es bestand aus einem zweiwöchigen Intensivprogramm, in dem persönliche Erinnerungen an den Völkermord ausgetauscht und neue Methoden zur Bewältigung traumatischer Erfahrungen erlernt werden. Das Training enthielt drei Komponenten: Trauer, Umgang mit Emotionen und Vergebung. Täter, die am Völkermord teilgenommen hatten, wurden mit Opfern konfrontiert.

Die neue Regierung unterstützte das Programm und es wurde bald im ganzen Land durchgeführt. Viele Betroffene brauchten Jahre bis sie vergeben konnten – aber sie taten es.

So können Sie helfen

Versöhnungs- und Friedensförderung ist ein zentrales Thema der World Vision-Projekte in Kriegs- und Krisengebieten. Bildungs- und Sozialprogramme für Flüchtlingskinder und Jugendliche beziehen wo immer möglich auch die Bevölkerung der jeweiligen Gastlänger mit ein und fördern so Annäherung und Verständnis.

Aktuell können Sie hier zum Beispiel unsere Programme für syrische, jordanische, libanesische und irakische Kinder unterstützen: Jugendförderprogramm «Youth RESOLVE»

 

Zeitzeugen berichten

Zwei durch Völkermord getrennte Nachbarn, einer das Opfer, der andere Täter, erzählen in diesem bewegenden Video, wie sie durch einen langwierigen Aussöhnungsprozess wieder zurück ins Leben gefunden haben. Entstanden zum 20. Gedenktag vor 5 Jahren ist es immer noch aktuell (Englische Version)

 

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