Nomaden der Mongolei: Von der Steppe in den Slum

13. April 2021

Mongolei: Ein Reiter bewegt sich in einer weiten Graslandschaft mit Hügeln am Horizont.

Die mongolischen Steppe trocknet durch den Klimawandel, Bergbau und Überweidung immer weiter aus. Die Tiere, Lebensgrundlage der Nomaden, finden nicht mehr ausreichend Futter und verenden während der eisigen Wintermonate.

Text: World Vision Schweiz

Die Mongolei ist bekannt für ihre beeindruckende Weite und traditionsreiche Nomadenkultur. Mit einer Gesamtfläche, die nahezu 40-mal so gross ist wie die der Schweiz, beherbergt der Binnenstaat zwischen Russland und China gerade einmal zwei Einwohner pro Quadratkilometer. Das Nomadentum hat in der Mongolei eine lange Tradition. Doch die Natur von der Steppe im Norden und Westen des Landes bis hin zur südlichen Wüste Gobi bietet nur wenig für landwirtschaftliche Nutzung geeignete Fläche. Rund die Hälfte der mongolischen Bevölkerung lebt von der Viehzucht, wobei die Tiere ihr sowohl als Einkommens- als auch Versorgungsquelle dienen. Ihren Lebensunterhalt verdienen diese Familien mit Produkten aus Wolle, Milch, Fleisch und Leder ihrer Schafe, Ziegen, Pferde, Kamele oder Yaks.

Machen Sie einen Unterschied: Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie macht unseren Einsatz in der Mongolei wichtiger denn je. Informieren Sie sich über unser Entwicklungsprojekt in der Mongolei und unterstützen Sie uns mit Ihrer Spende.

Mongolei: Ein Reiter bewegt sich in einer weiten Graslandschaft mit Hügeln am Horizont.Die mongolischen Steppe trocknet durch den Klimawandel, Bergbau und Überweidung immer weiter aus. Die Tiere, Lebensgrundlage der Nomaden, finden nicht mehr ausreichend Futter und verenden während der eisigen Wintermonate.

 

Ein Leben gegen das Klima  

Die Mongolei ist auch klimatisch ein Land der Extreme. Die Temperaturen schwanken zwischen -40 Grad im Winter und bis zu 35 Grad Hitze im Sommer. Dabei zeigen sich die Folgen des Klimawandels in der Mongolei besonders deutlich: Die durchschnittliche Temperatur steigt hier schneller als im globalen Durchschnitt. Das führt zu verheerenden Wetterextremen, die das Leben der Nomaden bedrohen. Ein Rückgang der Niederschläge und lang anhaltende Dürren im Sommer lassen den Grundwasserspiegel sinken. In der Folge trocknen Flüsse und Seen aus und es kommt zur Wüstenbildung.

Ein weiterer Faktor, der das Austrocknen der Steppe beschleunigt, ist die starke Überweidung durch die Viehherden der Nomaden. Nach der Demokratisierung des Landes zu Beginn der 1990er-Jahre haben vielen Nomaden ihren Viehbestand erweitert, um höhere Erträge erzielen zu können. Über 70 Millionen Nutztiere begrasen derzeit die Steppe. Hinzu kommt der Bergbau. Die Mongolei gehört zu den rohstoffreichsten Nationen der Welt. Im grossen Stil werden unter anderem Kohle, Kupfer und Gold abgebaut. Da ihr Abbau enorm wasserintensiv ist, führt auch er zu einem Rückgang der Wasserreserven.

Aufgrund der Dürre und Wasserknappheit im Sommer, können sich die Tiere nicht ausreichend Winterspeck anfressen. Im Winter wiederum finden die Tiere unter den dicken Eisschichten nicht ausreichend Futter. Ganze Herden verhungern oder erfrieren während der harten Wintermonate. Vor allem während des „Dzud“, einem besonderen winterlichen Wetterextrem, sterben immer wieder zahlreiche Nutztiere. So haben den historischen Dzud im Winter 2009 / 2010 rund zehn Millionen Tiere nicht überlebt. 2018 verendeten erneut Hunderttausende Tiere. Gab es früher gerade mal alle zehn Jahre einen solchen Dzud, kommt dieser heute rund zwei bis viermal innerhalb von zehn Jahren vor. Diese Bedingungen kosten viele Familien ihre Existenz und veranlasst sie, ihre Jurten in der Steppe abzubrechen und sich in bzw. vor der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar niederzulassen.

Mongolei: Ein Junge schiebt zwei kleine Junge in einem Wagen vor sich her, im Hintergrund sind karge Hügel und eine Stadt zu sehen.Tegshjargal und seine Brüder Tumunlzii und Erdeneburen. Die Familie lebte einst als Nomaden, bis nahezu alle ihre Tiere durch eine schwere Dürre gefolgt von einem harten Winter ums Leben kamen. Hoffnungsvoll zogen sie nach Ulaanbaatar, wo sich ihr Leben jedoch weiterhin schwierig gestaltet.

 

Ulaanbaatar: Arbeitslosigkeit und Armut statt Hoffnung

Der Aufbruch in die Hauptstadt Ulaanbaatar geht für die Nomaden mit der Hoffnung auf ein stabiles Einkommen und eine gesicherte Zukunft einher. Der Zuwanderungsstrom aus der Steppe führt jedoch zunehmend zu einer Überbevölkerung der Stadt. Lebten in den 1990er-Jahren noch rund 80 % der Mongolen als Nomaden, sind es heute nur noch ein Viertel. Die Regierung hat die Migration nach Ulaanbaatar inzwischen verboten. Das hat fatale Folgen.

Häufig leben die Familien unangemeldet in ihren Jurten (mongolisch „Ger“): Rund 60 % der Einwohner Ulaanbaatars leben in den Ger-Vierteln am Rande der Grossstadt. Die ehemaligen Nomaden müssen sich meist mit schlecht bezahlten Jobs als Müllsammler, Tellerwäscher oder Hilfsarbeiter in der Stadt durchschlagen, da sie keine Ausbildung haben. Viele Kinder brechen aufgrund von Überfüllung, Mobbing und fehlender Unterstützung durch die Eltern die Schule ab oder gehen gar nicht erst hin. Mehr als ein Viertel aller Mongolen lebt derzeit unter der Armutsgrenze und kann sich ohne fremde Hilfe nicht selbst ernähren. Alkoholismus und häusliche Gewalt sind häufig die Folgen dieser prekären Zustände. Fast jedes zweite Kind zwischen 1 und 14 Jahren wurde in der Mongolei bereits Opfer von Gewalt. Während der Pandemie hat die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt noch zugenommen.

Hinzu kommt ein hohes Gesundheitsrisiko durch die starke Luftverschmutzung in der Hauptstadt. Ulaanbaatar gilt im Winter nicht nur als kälteste Hauptstadt der Welt, sondern auch als die Stadt mit der schlechtesten Luft. Viele Familien in den Ger-Vierteln haben keinen Strom, sie heizen ihre Jurten und Hütten daher mit Kohle, mehrere Tonnen pro Jahr. Vor allem die Kinder leiden sehr unter den Emissionen: Lungenentzündung ist eine der häufigsten Todesursachen mongolischer Kinder.

Mongolei: Ein Junge sitzt am Tisch mit Schulbüchern, er hält ein Tablet und einen stift in der Hand und lächelt in die Kamera.

Munkhsaikhan lebt mit seinen Eltern und fünf Geschwistern in einer Jurte im Distrikt Bayanzurkh. Er ist Teil des Patenschaftsprojekts im Entwicklungsprojekt Bayanzurkh. Mit der grosszügigen Spende der Paten und Patinnen von World Vision Schweiz erhielt er ein Tablet, um trotz Schulschliessung weiter lernen zu können.

 

Das Entwicklungsprojekt Bayanzurkh von World Vision Schweiz 

Bayanzurkh ist einer der grössten Distrikte der mongolischen Hauptstadt. Ein Grossteil der Menschen im Distrikt leben unter der Armutsgrenze. Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch gehören dort zum Alltag vieler Kinder. Die Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben diese Situation zusätzlich verschärft. Neben den gesundheitlichen Risiken durch die starke Luftverschmutzung mangelt es der Hälfte der Bevölkerung zudem an hygienischen Toiletten und fliessendem Wasser. Bisher fehlte es an einem umfassenden Kinderschutzsystem, um effektiv entgegenwirken zu können.

Aus diesem Grund startete World Vision Schweiz 2019 das Entwicklungsprojekt Bayanzurkh. Wir schulen Eltern, Betreuer und die örtliche Gemeinschaft, um den Kindern Bayanzurkhs ein gewaltfreies, gesundes und sicheres Leben zu ermöglich. Dabei liegen unsere Schwerpunkte auf dem Schutz der Kinder vor häuslicher Gewalt und Missbrauch sowie dem Zugang zu Bildung, sauberem Trinkwasser und Sanitäranlagen. 

Sie wollen einen Beitrag leisten? Informieren Sie sich über unser Entwicklungsprojekt Bayanzurkh und werden Sie Patin oder Pate und helfen Sie so, die Rechte der Kinder Bayanzurkhs nachhaltig zu stärken.

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