Kinderheirat verhindern: Was schon erreicht wurde und was noch zu tun ist

15. Februar 2021

Ein junges Mädchen aus Ghana mit rotem Kopftuch und weissem Schal lehnt an eine gelbe Wand.

In Ghana, woher diese 15-jährige Kinderbraut stammt, wird jede Fünfte der heute 20-24-Jährigen vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet.

Text: World Vision Schweiz

Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, schätzt, dass über 650 Millionen Frauen auf der ganzen Welt vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden. Und jedes Jahr trifft dieses Schicksal 12 Millionen weitere Mädchen.

Was ist eine Kinderheirat und welche Folgen hat sie für die Betroffenen?

Eine Kinderheirat, auch Kinderehe oder Frühverheiratung genannt, ist jede legale oder informelle Ehe, in der mindestens eine Person ein Kind unter 18 Jahren ist. Zwar sind vor allem Mädchen von Kinderehe betroffen, aber in manchen Ländern werden auch Jungen bereits vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Am häufigsten ist statistisch gesehen die Verheiratung eines jungen Mädchens mit einem älteren Mann.

Mädchen, die als Kind verheiratet werden, können sich selten frei entfalten. Sie werden zu früh im Leben von ihrer Familie und ihren Freunden getrennt und müssen sich plötzlich in der Rolle einer erwachsenen Frau einfinden, den Haushalt führen und selbst Kinder grossziehen, anstatt weiter zur Schule gehen zu können oder mit Freunden zu spielen. Nicht selten geschieht die Verheiratung gegen den Willen der jungen Mädchen.

Oft ist Tradition der Grund für eine Kinderheirat. Das Schicksal der Mädchen und ihrer Familien zeigt aber auch die komplizierte Verflechtung von Folgen und Ursachen, die hier wirken. Ein Mädchen, dass die Schule abbrechen muss oder gar nicht erst zur Schule gehen kann, haben ein dreimal höheres Risiko, als Kind verheiratet zu werden, als Mädchen, die mindestens eine weiterführende Schule besuchen. Gleichzeitig müssen viele Mädchen nach der Verheiratung ihre Schulbildung abbrechen, um fortan als Hausfrau und Mutter zu leben. Sie werden der Möglichkeit beraubt, ihre Potenzial zu entdecken und zum Beispiel einen Beruf zu erlernen, der ihnen und ihren Familien einen Weg aus der Armut bieten kann.

Bangladesch: Ein Mädchen in grünem Sari kniet auf dem Boden und tröstet ein Mädchen in roter Kleidung, das ebenfalls auf dem Boden kniet.

Die Mitglieder eines Kinderforums aus Bangladesch spielen im Rahmen einer Aufklärungskampagne für ihre Zuschauer eine kurze Szene über Kinderheirat nach.

Mädchen aus armen Familien werden in vielen Gemeinden für ein Brautgeld oder zur Begleichung einer Schuld verheiratet, oder um in extremen Notsituationen die Zahl der «hungrigen Mäuler» in einer Familie zu reduzieren und das Kind durch die Verheiratung in die Verantwortung einer anderen Familie zu überführen. Die Mädchen geraten dadurch immer tiefer in eine Spirale aus Armut und Abhängigkeit, die sich über viele Generationen fortsetzen kann.

Kinderehen haben auch fatale Folgen für die Gesundheit der minderjährigen Bräute und ihrer eigenen Kinder. Junge Mädchen sind häufig weder emotional noch körperlich bereit dafür, Kinder zu zeugen und grosszuziehen. Komplikationen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt sind die häufigste Todesursache für Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren weltweit. Eine weitere Bedrohung für die Gesundheit der Mädchen ist die emotionale und wirtschaftliche Abhängigkeit von ihrem älteren Ehemann. Sie haben es sehr viel schwerer, sich für ihre eigenen Bedürfnisse und Verhütung einzusetzen und sind daheim oft körperlicher und sexueller Gewalt ausgesetzt.

Was bisher im Kampf gegen Kinderheirat erreicht werden konnte

2008-2009 — Es wird geschätzt, dass 25 % aller gegenwärtig lebenden Frauen bereits als Kind verheiratet wurden.

2012 — Der 11. Oktober wird zum Internationalen Tag des Mädchens erklärt, um über Kinderheirat aufzuklären und Prävention zu betreiben.

2013 — Der UN-Menschenrechtsrat nimmt das Thema Kinderheirat in seine Agenda auf. Die UN-Generalversammlung erklärt Kinderheirat zu einem Hindernis für nachhaltige Entwicklung.

2015 — Der UN-Bevölkerungsfond schätzt, dass 1 von 3 Mädchen bis zu ihrem 18. Lebensjahr verheiratet wird, 1 von 9 Mädchen sogar vor ihrem 15. Lebensjahr. Ein Punkt der “Ziele für nachhaltige Entwicklung” (SDG) verpflichtet alle Länder, Kinderheirat zu unterbinden.

2018 — Der Anteil der bereits als Kind verheirateten Frauen weltweit sinkt auf 1 von 5 bzw. 20 %. Delaware und New Jersey sind die ersten US-Staaten, die Kinderheirat ohne Ausnahme für illegal erklären.

2020 — Laut Schätzungen der UN wurden in den letzten 10 Jahren 25 Mio Kinderheiraten dank Entwicklung und Fortschritt verhindert.

2030 — 2030 ist das Stichjahr der SDG zur Abschaffung von Kinderheirat. Wäre die Kinderheirat seit 2015 nicht immer weiter eingeschränkt worden, wären in 2030 rund 960 Millionen Frauen weltweit als Kinder verheiratet worden.

Ein Mädchen in Sportkleidung mit einem Fussball unter dem Arm lächelt in die Kamera, hinter ihr posiert ihre Mannschaft für das Bild.

Dina, 18 aus dem Südsudan trainiert für den Sport und für ein selbstbestimmtes Leben: «Fussball hat mich stärker gemacht.»

So setzt World Vision sich gegen Kinderheirat ein

Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von World Vision ist der Schutz von Kinderrechten und der gleichberechtigte Zugang zu Bildung für Mädchen und Jungen weltweit. Zusammen mit den Familien und dem Umfeld der Mädchen arbeitet World Vision darauf hin, dass die Mädchen selbstbewusst für ihre Rechte eintreten und dass ihre Bedürfnisse erfüllt werden. Der Erfolg der verschiedenen Programme basiert auf der Einbeziehung aller Beteiligten. Nur so können die gefährlichen Einstellungen, Traditionen und Praktiken rund um Kinderheirat geändert werden.

Darüber hinaus unterstützt World Vision die Betroffenen mit Gesundheitsprogrammen für Mütter, Neugeborene und Kinder und setzt sich ausserdem für die Gleichberechtigung von Jungen und Mädchen ein. Damit ist nicht nur die jungen Mütter und Familien geholfen, sondern es wird auch eine Grundlage geschaffen für gesunde, nachhaltige Entwicklung ganzer Gemeinden hin zu mehr Gesundheit und Wohlstand für alle.

In Kenia arbeitet World Vision mit Schulen und Gemeindevorstehern zusammen, um Jungen und Mädchen über weibliche Genitalbeschneidung aufzuklären und mit ihnen gemeinsam neue, gesündere Rituale zu praktizieren, die ihrer Kultur Respekt zollen.

In Bangladesch entwickelte World Vision ein Weiterbildungsprogramm für Mädchen, das Fähigkeiten wie kritisches Denken, aktive Problemlösung und klare Kommunikation stärkt und den Mädchen als Rüstzeug für ihre Aufklärungsarbeit rund um das Thema Kinderheirat dient.

In Afghanistan bildete World Vision mehr als 4’000 Imame zum Thema Gleichberechtigung, Recht auf Bildung und Prävention von Gewalt gegen Frauen weiter und machte sie so zu einflussreichen Botschaftern gegen Kinderheirat in Schulen, Gemeinden, gegenüber der Polizei und dem Militär.

Im Südsudan fördert World Vision eine Mädchenfussballmannschaft, um das Selbstbewusstsein der Mädchen zu stärken und im Rahmen der Spiele und Turniere über Kinderheirat aufzuklären.

Werden Sie Patin oder Pate eines Mädchens, um ihr den Schulbesuch zu ermöglichen und ihr Zugang zu wertvollen Ressourcen für ein langes, gesundes und selbstbestimmtes Leben zu geben.

Diesen Beitrag teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

WIR SIND FÜR SIE DA:

Kinderhilfswerk
WORLD VISION
World Vision Schweiz und Liechtenstein
Kriesbachstrasse 30
8600 Dübendorf

info@worldvision.ch
T +41 44 510 15 15

Zertifizierungen

Wir sind mehrfach anerkannt durch nationale und internationale Gütesiegel.

World Vision ist die Sicherheit und Privatsphäre der Kinder in unseren Patenschafts-Programmen ein grosses Anliegen. [ ]

Wenn Sie Grund zur Annahme haben, dass eines dieser Kinder gefährdet ist, geben Sie uns bitte umgehend Bescheid: Rufen Sie uns an unter +41 44 510 15 93 oder schicken Sie uns ein E-Mail an protection@worldvision.ch.

Verantwortungsvolle Kommunikation

Wir verpflichten uns gemäss dem Manifest von AllianceSud für eine verantwortungsvolle Kommunikation über unsere Projektarbeit. 

Newsletter abonnieren

instagram

 

 

 

 

ALLGEMEINE SPENDEN    PostFinance: IBAN CH12 0900 0000 8000 0093 1

World Vision Schweiz und Liechtenstein ist eine gemeinnützige und somit steuerbefreite Organisation. CHE-333.958.696

World Vision verwendet Cookies, um Ihr Online-Erlebnis zu verbessern.
Mit der weiteren Nutzung von worldvision.ch akzeptieren Sie unsere Datenschutzbestimmungen