Ein gutes Umfeld für Kinder dank familiärer Betreuung

9. Juli 2022

Uganda: Ein Kind sitzt auf dem Schoss seiner Mutter, ein zweites Kind hüpft in die Luft.

Eltern sind nun aktiv ins Leben ihrer Kinder eingebunden. Elternseminare haben dazu beigetragen, dass die Gewalt ist zurückgegangen.

Text: Derrick Kyatuka, Uganda Refugee Response von World Vision

 

Es ist ein mässig kalter Morgen mit leichtem Nieselregen in der Flüchtlingssiedlung Bidibidi. Die meisten Geflüchteten haben sich in Jacken und Pullover gehüllt. Es hat die ganze Nacht hindurch geregnet. Kinder sind kaum ausserhalb ihrer Häuser beim Spielen zu sehen. Die wenigen, die vor ihren Häusern stehen, zittern vor Kälte. Ein beissend kalter Wind zieht durch das ganze Dorf.

Im Haus von Michael Lemi ist wenig los. Er ist mit seiner Enkelin allein zu Hause, der Rest seiner Familie ist zu Besuch bei einem Verwandten in der Siedlung. Trotz des schlechten Wetters wirkt er gut gelaunt.

Michael ist Trainer für positive Erziehung und Mitglied des Kinderschutzausschusses (CPC) seines Quartiers. An diesem kalten Morgen bereitet er sich auf einen Hausbesuch vor, bei dem er Eltern für eine positive Erziehung sensibilisieren will. Gegen zehn Uhr morgens verlässt Michael sein Haus und macht sich auf den Weg in die Gemeinde. 

 

Entschlossen, Gutes zu bewirken
«Das Wetter ist nicht gut heute. Es hat eine dichte Wolkendecke und es könnte bald wieder regnen», sagt Michael, während er zwischen grasbedeckten Hütten aufs ersten Haus zu schlendert, das auf seiner Besuchsliste steht.

Michael ist von seiner Arbeit in der Gemeinde begeistert und er ist entschlossen, etwas zu bewirken. Im Haus von Betty empfängt ihn Rauch – dieser dringt aus der Küche. 

Betty ist Mutter von drei Monate alten Zwillingen. Sie kommt lachend aus ihrem Haus und heisst Michael willkommen. «Wir haben auf dich gewartet», sagt sie. Kurz darauf gesellt sich Bettys Ehemann zu ihnen. Die Familie scheint gut vorbereitet zu sein, um Michaels Vortrag übers Stillen zuzuhören.

 

Uganda: Ein Kind sitzt auf dem Schoss seiner Mutter, ein zweites Kind hüpft in die Luft.

Praktiken der Familienpflege

Laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sind 65 % der Flüchtlinge in Uganda Kinder, die während der Krise schlimmste Szenarien erleben: unter anderem sexuelle, physische, emotionale und psychologische Gewalt.

Michael gehört zu den 197 Vorzeigeeltern in der Siedlung, die World Vision in positiver Kindererziehung nach dem «22 Key Family Care Practices Model» geschult hat. Das Modell verbessert die Fähigkeit von Eltern und anderen Betreuungspersonen, moralisch gut gerüstete Kinder zu erziehen. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine positive Erziehung die Entwicklung eines Kindes verbessert und das Risiko für alle Formen von Gewalt verringert.

«Meine Arbeit besteht darin, Eltern zu erreichen und sie über die 22 wichtigsten Familienpflegepraktiken aufzuklären. World Vision hat erkannt, dass der Schutz von Kindern ein Wunschdenken bleibt, wenn die Eltern diese Praktiken selbst nicht anwenden», sagt er.

«Vor der Intervention war die Gewalt gegen Kinder in der Gemeinde hoch. Sie wurden misshandelt und schikaniert. Und Eltern stritten sich ständig wegen der begrenzten Mittel im Haushalt, womit sie sehr schlechte Vorbilder für ihre Kinder waren», fügt Michael hinzu.
 

Dankbar für das neue Wissen
Betty ist dankbar für das Wissen, das sie von Michael erhalten hat. Sie ist überzeugt, dass sie dies zu einer besseren Mutter gemacht hat.

«Ich bin zum ersten Mal Mutter von Zwillingen und hatte keine Ahnung, wie ich mich um die zwei Babys kümmern sollte. Michael hat mich auf meinem Weg von der Schwangerschaft bis heute begleitet. Er hat mir gezeigt, wie ich die Neugeborenen pflegen soll und auch den richtigen Umgang mit meinen Babys während des Stillens. Wir haben Themen wie die Abstände zwischen Geburten, Impfungen, die Reaktion auf Krankheiten und vieles mehr besprochen.»

 Das Projekt hat Eltern wie Betty in die Lage versetzt, das Wachstum, das Überleben und die Entwicklung ihrer Kinder zu fördern. Es hat Kindern und Betreuenden Fähigkeiten zum Wohlbefinden vermittelt. Und hat es eine Verbindung zu den zuständigen Behörden der Gemeinde hergestellt.

Lillian Savior, eine vierfache und vorbildliche Mutter, sagt, dass die familiären Betreuungspraktiken eine Verhaltensänderung in ihrer Gemeinde bewirkt haben. Das Leben der Eltern und Kinder hat sich positiv entwickelt. 

Ausgewogene Ernährung
«Die ergänzende Ernährung, über die wir die Eltern aufklären, hat das Leben unserer Kinder erheblich verbessert. Früher dachten die meisten Eltern, dass eine ausgewogene Ernährung bedeutet, dass die Kinder ständig Fleisch essen – dabei ist Grünzeug genauso wichtig und leicht zu bekommen. Die meisten Haushalte haben jetzt einen Gemüsegarten, um die Kinder zu ernähren», sagt Lillian.

«Durch unseren Unterricht haben die Eltern auch erkannt, dass es falsch ist, ihre jungen Mädchen schon früh zu verheiraten. Sie betrachten ihre jungen Töchter nicht mehr als eine Quelle des Reichtums. Eine Mutter hat ihre 15-jährige schwangere Tochter aus einer Zwangsehe zurückgeholt, nachdem ich sie über die Gefahren der Frühehe aufgeklärt hatte», erzählt sie. Michael und Lillian sind sich einig, dass die schädlichen kulturellen Praktiken der verschiedenen Stämme im Südsudan das Leben der Kinder stark gefährden und sie daran hindern, ihr Leben in seiner ganzen Fülle zu leben.

Job Auruku, der Koordinator für den Kinderschutz, sagt, dass die Massnahme darauf abzielt, das familiäre Unterstützungssystem zu stärken, damit die Kinder ganzheitlich aufwachsen können. «Das Versagen des familiären Unterstützungssystems ist die Hauptlücke, die wir identifiziert haben. Hier war Unterstützung nötig. Die Eltern wussten nicht, wie sie mit den Herausforderungen der Kinder in den verschiedenen Lebensabschnitten umgehen sollten», erzählt er. Und er fügt hinzu: «Im Laufe des Projektzyklus' haben wir festgestellt, dass sich das Leben von Eltern und Kindern verändert hat. Die Eltern sind nun aktiv in das Leben ihrer Kinder eingebunden. Die Elternseminare haben dazu beigetragen, dass die Gewalt gegen Kinder zurückgegangen ist.»

 

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