Die 4 grössten Herausforderungen für Mädchen im globalen Süden

1. April 2021

Ein junges Mädchen aus Ruanda mit blau-weiss gestreiftem Shirt steht im Türrahmen eines Hauses

Esther, 8 Jahre, aus Ruanda macht sich mehrmals täglich auf den gefährlichen Weg, um Wasser zu holen: Zweimal bevor die Schule beginnt sowie mittags und abends.

Text: World Vision Schweiz

 

Fast neun von zehn Kindern leben im globalen Süden, die Hälfte davon sind Mädchen. Dabei sehen sich Mädchen oft mit wesentlich grösseren Herausforderungen konfrontiert als Jungen. Gegen diese Ungerechtigkeit kann nur ein konsequenter Einsatz für die Gleichberechtigung etwas bewirken.

Das sind die grössten Herausforderungen für Mädchen im globalen SüdenZwei Mädchen in Kambodscha freuen sich über neue Lehrbücher für die Vorschule.

Die fünfjährige Khvan Keo (links) freut sich an der Boeung Phum Vorschule in Kambodscha am Unterricht teilnehmen zu können. Seit über 17 Jahren unterhält World Vision Gesundheits-, Bildungs- und Kinderschutzprogramme in dem Land.

 

1. Zugang zu Bildung

Mädchen, die in die Schule gehen und die Sekundarstufe abschliessen, haben sehr gute Chancen auf eine selbstbestimmte Zukunft und bringen die Gesellschaft massgeblich voran: Sie heiraten später, verdienen mehr Geld und bekommen weniger und gesündere Kinder, die mit hoher Wahrscheinlichkeit selbst auch zur Schule gehen werden. Bildung für Mädchen ist somit ein essenzieller Bestandteil für einen nachhaltigen gesamtgesellschaftlichen Wandel.

Doch immer noch gehen weltweit rund 132 Millionen Mädchen nicht zur Schule. Die Gründe dafür sind vielfältig. Viele Familien können sich einen Schulbesuch ihrer Kinder nicht leisten. Dabei entscheiden sich die Familien eher dafür, die Jungen in die Schule zu schicken und die Mädchen zu Hause zu lassen. Ein weiterer Grund, der Mädchen einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung erschwert, ist die Stigmatisierung der Menstruation, die immer noch in vielen Ländern des globalen Südens vorherrscht. Das führt dazu, dass Mädchen während ihrer Periode nicht zur Schule gehen und einen Grossteil der Lerninhalte verpassen oder gar nicht erst zurückkehren.

Auch Krisensituation wirken sich negativ auf die Bildungschancen von Mädchen aus: Schülerinnen und Lehrerinnen fallen besonders häufig Angriffen auf Schulen oder sexuellen und gewaltsamen Übergriffen auf dem Schulweg zum Opfer.

Die Corona-Pandemie verschärft die bisherigen Herausforderungen zusätzlich: Durch die weltweiten Schulschliessungen sind vor allem Mädchen des globalen Südens wieder zunehmend Gewalt, Zwangsverheiratungen und frühen Schwangerschaften ausgesetzt. Schätzungen der UNESCO zufolge werden 11 Millionen Mädchen nach der Pandemie nicht mehr in die Schule zurückkehren. Dies droht viele der bisher erreichten Fortschritte im Kampf gegen die Diskriminierung und Armut von Mädchen zunichtezumachen.

 

2. Kinderehen und Zwangsverheiratung

Schätzungen des Kinderhilfswerks UNICEF zufolge wurden weltweit über 650 Millionen Frauen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Mädchen ohne Zugang zu Bildung haben ein dreifach höheres Risiko, vor ihrem 18. Lebensjahr verheiratet zu werden. Werden jedoch Mädchen verheiratet, die eine Schule besuchen, müssen sie diese verlassen und kehren in der Regel auch nicht mehr zurück. Vor allem während der Corona-Pandemie führen existenzielle Nöte vermehrt zu Verheiratungen junger Frauen und Mädchen. Das hat weitreichende Folgen: Ohne eine abgeschlossene Ausbildung haben die Mädchen nur begrenzte wirtschaftliche Möglichkeiten und verharren in der Armut. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre Kinder in die Schule schicken, ist geringer.

Nicht selten werden die Mädchen gegen ihren Willen verheiratet und sind in ihren Ehen physischer und sexueller Gewalt ausgeliefert. Die erforderlichen Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie lässt die häusliche und sexuelle Gewalt gegen Mädchen weiter ansteigen. Das liegt unter anderem an den Ausgangssperren sowie an eingeschränkten Unterstützungs- und Informationsmöglichkeiten für die Mädchen. 

Die jung verheirateten Mädchen sind ausserdem durch frühe Schwangerschaften einem hohen Gesundheitsrisiko ausgesetzt. In den ärmsten Ländern der Welt bekommt jede vierte Frau ihr erstes Kind bereits vor ihrem 18. Geburtstag. Komplikationen während Schwangerschaft und Geburt sind weltweit die häufigsten Todesursachen für Mädchen im Alter von 15 bis 19 Jahren. Dies wird durch die anhaltende Corona-Pandemie zusätzlich verstärkt: Nicht nur durch das Virus selbst, auch der erschwerte Zugang zu medizinischer Versorgung und Information sowie die Quarantänemassnahmen stellen ein hohes Gesundheitsrisiko für Mädchen und junge Frauen dar. Es wird erwartet, dass die Mütter- und Kindersterblichkeitsrate durch die Pandemie weiter steigen wird.

 

3. Kinderarbeit

550 Millionen Stunden am Tag arbeiten Mädchen zwischen 5 und 14 Jahren im Haushalt, schätzt die UNICEF. Unbezahlte Arbeiten wie kochen, Wasser holen und sich um Familienmitglieder kümmern, werden von Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren doppelt so häufig erledigt wie von Jungs im gleichen Alter. Im Vergleich dazu leisten Mädchen und Frauen generell weniger bezahlte Arbeit als Männer. 

Doch auch abseits der Hausarbeit sind Mädchen häufig Opfer ausbeuterischer und gefährlicher Kinderarbeit. Vor allem in Krisenzeiten, die viele Familien wirtschaftlich schwächen, nimmt der Anteil arbeitender Kinder zu. Dies lässt sich aktuell während der Corona-Pandemie in vielen Ländern des globalen Südens beobachten: Die existenzielle Not ihrer Familien zwingt Millionen Mädchen in Prostitution und Menschenhandel. Zum anderen steigt die Arbeitslast im heimischen Umfeld für junge Frauen und Mädchen durch die Pandemie stark an, sodass sie dies mit ihrer Bildung nicht mehr vereinen können. Folglich geht wertvolle Zeit für die Bildung der Mädchen verloren und der Kreislauf aus Armut, prekärer Arbeit und fehlender Bildung kann nicht nachhaltig durchbrochen werden.

in junges Mädchen aus der Demorkatischen Republik Kongo mit einem geblümten Tuch um die Schultern sitzt auf einem Markt und schaut in die Kamera.

Sourcevie, 11 Jahre, verkauft Kohle auf einem Markt in der Demorkatischen Republik Kongo (DRK). Kinder in der DRK leiden unter verschiedenen Formen der Ausbeutung, die sich aus einem Zusammenspiel durch Konflikte, Nahrungsmittelknappheit, Armut und Krankheiten ergibt.

 

4. Armut und Hunger

Viele Mädchen des globalen Südens leben aufgrund von fehlendem Zugang zu Bildung in Armut. Zeitgleich verhindert Armut, in die Mädchen hineingeboren werden, einen Zugang zu Bildung oder führt zu Verheiratungen, um die Familien der Mädchen finanziell zu entlasten. Ein Kreislauf aus Ursache und Wirkung, der viele Mädchen des globalen Südens in der Armut gefangen hält, sie hungern lässt und abhängig macht. Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zufolge leiden weltweit 821 Millionen Menschen an Hunger. 61 Prozent davon sind Frauen und Mädchen. 

Durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie sind viele Familien des globalen Südens von noch stärkerer Armut bedroht. Das hat zur Folge, dass die Familien ihre Kinder nicht mehr ausreichend ernähren können. Auch hier sind die Mädchen oft im Nachteil, da sie im familiären Umfeld auch bei der Ernährung gegenüber den männlichen Familienmitgliedern benachteiligt werden. Häufig dürfen sie erst nach den männlichen Familienmitgliedern essen und bekommen nur noch die Reste der Mahlzeiten.  

Die UN-Frauenorganisation, UN Women, erwartete zwischen 2019 und 2021 eigentlich einen Rückgang der Armutsrate von Frauen und Mädchen. Der Trend bewegte sich dahin, dass immer mehr Mädchen Zugang zu Bildung und anschliessender Arbeit erhielten – doch das war vor der Pandemie. Aktuell wird mit einem Anstieg der Armutsrate um 9,1 Prozent gerechnet, somit wird die Gender Poverty Gap künftig noch weiter auseinandergehen. Schätzungen der UN zufolge wird sich die Zahl der Frauen und Mädchen in extremer Armut auf weltweit 435 Millionen erhöhen. Der grösste Teil davon lebt in Afrika, südlich der Sahara und Südasien.

Ein Mädchen aus Bangladesch in einem orangenen Sari sitzt hinter einer Nähmaschine und näht  Mund-Nasenmasken.

Tasrin unterstützt World Vision im Rahmen eines Projekts zur Ernährung von Müttern und Kindern in Bangladesch und nähte 5’000 Masken für die Mitglieder ihrer Gemeinde.

 

Was tut World Vision für die Gleichberechtigung der Mädchen im globalen Süden?

Gleichberechtigung ist die Grundlage zur Behebung zahlreicher globaler Probleme. All die zuvor genannten Punkte lassen sich nur schwer getrennt voneinander betrachten und vor allem bewältigen. Es ist ein Wechselspiel dieser Faktoren, das zu den bestehenden Problemen junger Mädchen führt.

Wir wollen den Kreislauf aus Armut, geschlechtsspezifischer Gewalt und sozialer Ungleichheit durchbrechen. World Vision unterstützt Mädchen und junge Frauen in ihren Gemeinden durch Schulungen, Gesundheits- und Bildungsprogramme. Dazu bilden wir lokale Mitarbeitende aus und kooperieren mit den Familien und dem sozialen Umfeld der Mädchen, um ihnen den Raum zu schaffen sich und ihr Potenzial frei zu entfalten.

Vor allem um den fatalen Folgen der Pandemie entgegenzuwirken, sind unsere lokalen Mitarbeitenden im Einsatz. Sie informieren Mädchen und Jungen über das Virus und helfen dabei, Hygienemassnahmen umzusetzen. Dabei werden wir unterstützt von den Mitgliedern der Gemeinden und Glaubensführern, welche durch ihren Einsatz dazu beitragen, dass die Arbeit von World Vision vor Ort akzeptiert und angenommen wird. 

Leisten Sie einen Beitrag für mehr Gerechtigkeit! Übernehmen Sie eine Patenschaft für ein Mädchen und ermöglichen Sie ihr damit Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung, sauberem Wasser und gesunder Ernährung. Damit schaffen Sie die Grundlage für eine Zukunft ohne Armut und Abhängigkeit für das Mädchen, ihre Familie und ihre Gemeinde.

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