Amai war erst 11 Jahre alt, als sie verheiratet wurde. Laut einer Studie werden wegen COVID-19 deutlich mehr Mädchen das gleiche Schicksal wie sie erleiden müssen.
Text: Alexander Koch, World Vision Schweiz
Besonders dringenden Handlungsbedarf sieht World Vision dort, wo Kinder gerade mit ihren Familien in Existenznot geraten oder wo sie bereits unter den Folgen von Katastrophen und Konflikten leiden. Für Jungen steigt unter diesen Umständen erfahrungsgemäss der Druck, Arbeit zu suchen statt zur Schule zu gehen, während Mädchen besonders von sexueller Ausbeutung oder Kinderheirat bedroht sind. In den nächsten zwei Jahren könnten rund vier Millionen mehr Mädchen als gewöhnlich in dem Zeitraum verheiratet werden, schätzt Dana Buzducea, Advocacy-Direktorin von World Vision International.
40 Prozent mehr Notrufe in Bangladesch
«Wir melden seit der Verhängung der Abriegelungsmassnahmen in vielen Ländern, dass Fälle von Kindesmissbrauch und Gewalt in die Höhe geschnellt sind», erklärt die World Vision-Expertin. «In Bangladesch zum Beispiel ergab die im April von verschiedenen Institutionen, darunter World Vision, landesweit durchgeführte Analyse der Pandemie-Auswirkungen und des Hilfebedarfs, dass Schläge durch Eltern oder Erziehungsberechtigte um 42 Prozent zugenommen haben. Es gab auch 40 Prozent mehr Anrufe beim Kinder-Nottelefon, und die Hälfte aller Befragten nannten fehlende Sicherheit für Mädchen als ein Problem bei den Ausgangssperren. «Der Bericht ‚Aftershocks – a Perfect Storm‘ wertet für die Prognosen neben Länderdaten zur Zunahme häuslicher Gewalt auch Informationen aus Programmgebieten von World Vision aus, da persönlich ausgeübte Gewalt gegen Kinder vielerorts kaum offiziell nachverfolgt wird und Schutz-oder Hilfsmechanismen nicht ausreichend finanziert werden.
Kinderschutz-Dienste in Krisen
Es gebe viele Anzeichen dafür, dass die Pandemie die bestehenden Schwachstellen verschärfe und das Risiko nicht gemeldeter Gewalt erhöhe, so Dana Buzducea. Kinderschutz-Dienste müssen auch in der Krise funktionieren und ausgebaut werden. Auch in Europa müsse man wachsam darauf reagieren. «Leider ist das Zuhause nicht für alle Kinder ein sicherer Ort, und durch Kontaktsperren sind viele Familienmitglieder mit gewalttägigen Menschen isoliert. Schulen und soziale Einrichtungen können betroffene Kinder derzeit nicht so schützen und unterstützen wie sie es sonst tun.»
Normalität für viele Kinder in weiter Ferne
«So neu und komplex die Corona-Krise ist: das erhöhte Gewaltrisiko für Kinder in Krisenzeiten kennen wir aus bitterer Erfahrung, und wir befürchten, dass die Pandemie eine vielschichtige globale Bedrohung für die Sicherheit von Kindern darstellt,» betont Christoph von Toggenburg, CEO von World Vision Schweiz. «Für viele Kinder besteht die Gefahr, dass die Dinge für sie nie wieder ‚normal‘ werden, und Millionen von Mädchen und Jungen in Gewaltzyklen gefangen bleiben. Wenn wir die Gewalt nicht beenden und damit sowohl die persönlichen Lebenschancen dieser Kinder als auch wichtige Fortschritte ihrer Gesellschaften auf dem Weg zu einer friedlicheren und nachhaltigeren Zukunft schützen, werden die Nachbeben noch unter den kommenden Generationen zu spüren sein.»
So hilft World Vision
World Vision verstärkt aktuell seine Kinderschutzmassnahmen, in Zusammenarbeit mit Regierungen, internationalen Partnern und vielen lokalen Multiplikatoren, einschliesslich tausender engagierter Jugendlicher. Im Corona-Hilfseinsatz wurden bereits mehr als 390’000 Kinder mit akuten Problemen durch Kinderschutzprogramme unterstützt. Diese erleichtert auch Kindern ohne Papiere oder Kinder mit Behinderungen den Zugang zu Unterstützung. Mehr als 684’000 Kindern, Eltern und betreuenden Personen wurden seit Ausbruch der Pandemie auch Bildungshilfen oder Schulungen angeboten. Inklusive der Gesundheitsvorsorge und anderer Nothilfe wurden bislang 9,7 Millionen Kinder und 24,4 Millionen Menschen insgesamt in der Corona-Krise unterstützt.
Eine globale Krise erfordert globale Solidarität. Helfen Sie uns Kinder auch in dieser chaotischen Zeit zu schützen: Jetzt spenden.