Berg-Karabach: Kinder im Krieg

20. Oktober 2020

Armenien: Eine Mutter hält ihr Baby im Arm.

Christine sorgt sich um die Zukunft ihrer vier Kinder. Seit dem Ausbruch des Krieges waren ihre älteren Kinder nicht mehr in der Schule.

Text: World Vision Armenien

Die ersten Bomben fielen am Sonntagmorgen Ende September. «Ich hatte die ganze Nacht Kompott eingemacht und war am Morgen, als ich den Lärm der Bomben hörte, sehr müde. Zuerst dachte ich, es donnere, aber der Himmel war nicht bewölkt und es wiederholte sich ständig», erinnert sich Christine. «Mein Mann sagte mir, ich solle mir keine Sorgen machen; er ging hinaus, um Freunde im Dorf zu treffen», erzählt sie. Eine Stunde später kam er nach Hause zurück und sagte ihr, dass er als Freiwilliger an die Front gehen werde und sie sich um die Kinder kümmern solle. «Ich hatte wenig Zeit, ihm etwas zu sagen, denn die Kinder waren wach und hatten Angst vor dem Lärm, und ich wollte sie beruhigen.»

An diesem Sonntag war das Grollen der Bomben den ganzen Tag und die ganze Nacht über zu hören. Die Kinder konnten wegen der schrecklichen Geräusche nicht einschlafen. «Der Himmel war in der Nacht ganz rot, und jede Sekunde rechneten wir damit, dass eine Bombe direkt auf unsere Köpfe fallen würde.» 

Versteck vor den Bomben

Christines Schwester Narine hatte ein Haus mit einem kleinen Luftschutzkeller. Kurz entschlossen brachte Christine ihre Kinder zu ihrer Schwester, um sich gemeinsam mit ihrer Schwester und deren Kindern im Schutzraum zu verstecken. Beide Ehemänner und Väter waren an der Front. Viel Platz blieb da trotzdem nicht: Christine ist Mutter von vier Kindern, ihre Schwester Narine hat drei. 

Armenien: Ein Mädchen trägt eine Latzhose und schaut nicht direkt in die Kamera. «Das schlimmste Geräusch fand ich das der Drohnen», sagt Mariam (12).

In den kommenden zwei Tagen versteckte sich die Familie im Luftschutzkeller, da es keine Entwarnung von der Situation an der Front gab. «Das schlimmste Geräusch fand ich das der Drohnen, die direkt über unserem Haus flogen. Gefolgt von dem Geräusch der Zerstörung. Ich hatte Angst davon, dass die Drohne früher oder später eine Bombe auf uns abwerfen könnte», erzählt Christines Tochter Mariam. 

In der Nacht vom 30. September drängte der Bürgermeister des Dorfes die Schwestern, ihre Kinder zu nehmen und ihre Heimat zu verlassen, da es für sie nicht mehr sicher sei. «Zuerst weigerten wir uns zu gehen, da unsere Ehemänner und Brüder und unser Vater nicht wussten, dass wir gehen würden. Aber der Bürgermeister forderte uns auf zu gehen», erzählt Narine. Es folgte eine lange und anstrengende Fahrt in einem Bus voll mit Familien und Kindern. 

Hilfsorganisationen vor Ort

Heute ist die grosse Familie in einem Hotel in einem der Vororte von Jerewan, der Hauptstadt von Armenien, untergebracht. Dank Hilfsorganisationen wie World Vision, sowie der lokalen Behörden verfügen sie über genügend Lebensmittel, Kleidung und Hygieneartikel. «Wir sind allen, die uns hier beherbergen, so dankbar», sagt Christine. Der Wunsch nach Hause zu gehen und die Sorgen um die Zukunft bleiben aber gross:  «Bei diesem Krieg wissen wir nicht, was als nächstes kommt und wann wir nach Hause zurückkehren können», so Narine. Auch für die 12-jährige Miriam ist die Situation schwierig und das Heimweh allgegenwärtig: «Ich möchte nach Hause gehen. Ich möchte meine Klassenkameraden treffen. Ich weiss nicht, wo sie sind und was mit ihnen passiert ist, und ich möchte in unserem Haus schlafen.»

Armenien: Eine Mutter kümmert sich um drei Kinder. Die Familie wünscht sich ihr altes Leben zurück. Zurzeit wohnen sie in einem Hotel. Lebensnotwendiges erhalten sie von Hilfsorganisationen wie World Vision.

Situation in Berg-Karabach und World Visions Hilfsaktion

Am 27. September brachen schwere Kämpfe in Berg-Karabach aus, einem umstrittenen Gebiet zwischen Armenien und Aserbaidschan. Die offizielle Zahl der Todesopfer beläuft sich bis dato auf 577 . Darunter 542 Soldaten, 31 Zivilisten und vier Kinder (Quelle SRF News, 13.10.20). In Armenien wurden alle Männer unter 55 Jahren zur Mobilisierung aufgerufen. Seit Jahrzehnten kämpfen die beiden ehemaligen Sowjetunionen um die in Aserbaidschan gelegene Bergregion, die Heimat für rund 145'000 armenisch-stämmige Menschen ist.

Unser Entwicklungsprojekt Kapan  ist nicht direkt betroffen von den kriegerischen Auseinandersetzungen nahe der armenischen Grenze. Die Kämpfe in Berg-Karabach beeinflussen die Situation in der Region aber dennoch. World Vision Armenien arbeitet eng mit den lokalen Behörden zusammen, um die aktuellen Bedürfnisse aller Kinder und Familien, die von der Krise betroffen sind, zu ermitteln und um mehr als 1500 vom Konflikt betroffene Familien mit humanitärer Hilfe zu versorgen, bestätigt Eleanor Monbiot, World Vision-Regionalleiterin Naher Osten und Osteuropa. 
 

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