Nach drei Tagen einer alle Sinne betörenden Reise durch Rajastan, dem facettenreichen Land der Maharajas im «Incredible India», sind wir in Udaipur angekommen. Alle Teilnehmer fühlen sich in der Gruppe sehr wohl und unser humorvoller einheimischer Reiseleiter Madhu ist ebenfalls ein Glücksgriff. Neben den überall sicht- und spürbaren Missständen lassen wir uns auch von den Schönheiten dieses Landes faszinieren.
In Udaipur sehen wir am Donnerstag Schauplätze des James Bond-Films «Octopussy», was aber nicht der Grund für die vibrierende Spannung ist, die in der Luft liegt, sondern dass das Lichterfest «Diwali» gefeiert wird. Alles wird geschmückt und beleuchtet, sogar Autos und auch unser Reisebus. Alle Menschen stellen kleine Öllampen in die Fenster, damit der wieder heimkehrende Gott Rama ein beleuchtetes Haus finden und den Bewohnern Glück bringen möge. Das Fest kommt uns vor wie eine Mischung aus Weihnachten und Silvester – alles an einem Tag.
Nach Sonnenuntergang sitzt unsere Gruppe auf der höchsten Dachterrasse der Stadt, schaut auf die Feuerwerke und wünscht sich gegenseitig viel Glück und «Happy Diwali». Beim Abbrennen der Wunderkerzen schaut die 33-jährige Meena ein wenig melancholisch in Richtung Aparajita, wo sich unser Projekt befindet, und fragt sich, ob ihr Patenkind in diesem Moment wohl auch mit seiner Familie Diwali feiert und eine Öllampe im Fenster hat – in der Hoffnung auf Glück.
Meena erinnert sich an ihre eigene Kindheit zurück, als ihre Eltern ihr erklärten, sie sei adoptiert und die ersten 17 Monate ihres Lebens ein Waisenkind in Mutter Theresas Waisenhaus in Mumbai gewesen, von wo aus die Adoptiveltern sie dann in die Schweiz geholt hätten. Als Teenager hatte sie angefangen, sich für ihr Herkunftsland zu interessieren und mit 25 ist sie das erste Mal alleine nach Indien gereist. Dort hat sie wieder bei den «Missionaries of Charity» eine Unterkunft gefunden und sogar mitgearbeitet. Als berufstätige Frau war es für sie dann selbstverständlich, Kinder in ähnlichen Lebenslagen zu unterstützen und hatte so eine Kinderpatenschaft bei World Vision Schweiz übernommen. Mittlerweile schon die zweite. Auf meine Frage nach ihren Erwartungen an die Reise antwortet sie: «Ich bin sehr neugierig auf mein Patenkind in Aparajita, auf ihre Geschwister, auf ihre Familie und das Dorf. Ich freue mich wirklich, dass ich das erleben darf! Auch das Projekt selber interessiert mich, weil ich sehen möchte, was alles in den 10 Jahren, in denen ich mich engagiert habe, unternommen wurde».
Als ihre Wunderkerze erlischt, lächelt Meena wieder und ich glaube, sie weiss, dass sie selbst das kleine Wunder im Leben ihres Patenkindes ist.
Den Abschluss meiner Indien-Rundreise finden Sie hier.