Auf den Strassen Kalkuttas treffe ich Mani. Vor vier Jahren habe ich das Mädchen schon einmal besucht. Viel ist in diesen Zeit passiert, verbessert hat sich wenig.


Mani erzählt mir ihre traurige Geschichte. Sie hat viel Pech gehabt.

Beim Stichwort Kalkutta kommen mir Mutter Theresa und Strassenkinder in den Sinn. Heute bin ich nach über vier Jahren zum zweiten Mal unterwegs in dieser Millionenstadt. Es ist früher Morgen, über Nacht hat es stark geregnet. Die Kanalisation, sofern vorhanden, hat das Regenwasser noch nicht überall abfliessen lassen.

Ich bin mit Steve, dem Sozialarbeiter von World Vision, auf der Suche nach dem Strassenmädchen Mani. Bei meinem letzten Besuch habe ich mit ihr ein Interview über ihre Lebenssituation gedreht. Damals war das junge Mädchen voller Hoffnung und träumte von einem besseren Leben fern der Strasse. Doch Steve sagte mir, dass Mani immer noch dort lebt.

Was ist in vier Jahren passiert?
Nun bin ich gespannt, wie es ihr heute geht und suchen sie am gleichen Ort, an dem sie und ihre Familie schon damals gelebt haben. Noch immer reihen sich die als Regenschutz dienenden Zeltplanen dicht aneinander. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite ist ein Lieferwagen parkiert. Der Sozialarbeiter erzählt mir, dass die Obdachlosen bei starkem Regen oft Zuflucht in geparkten Fahrzeugen suchen. Das sei aber nicht ganz ungefährlich, da die Besitzer jederzeit aufkreuzen könnten. „Dann gibt es meistens grossen Ärger“, sagt Steve. Die hintere Tür vom Lieferwagen wird geöffnet. Darin liegt Mani. Sie schläft. Neben ihr sitzt ein kleines Kind. Es ist schon wach. Müde reibt sich Mani die Augen. Sie nimmt das kleine Kind schützend auf den Arm und steigt aus.

Mir wird schwer ums Herz
Mani müsste heute knapp 18 Jahre alt sein. Das Kind schätze ich auf zwei bis drei Jahre. Es dauert ein wenig, bis sich Mani an mich erinnert. Doch als ich ihr den mit ihr gedrehten Film zeige, erinnert sie sich und bekommt feuchte Augen. Dann erzählt sie mir ihre traurige Geschichte:

Kurz nachdem sie einen von World Vision unterstützten Berufsvorbereitungskurs absolviert hatte, ist sie an falsche Freunde geraten und in Kontakt mit Drogen gekommen. Mit ihrem Freund wird sie intim und ist schon bald darauf schwanger. Manis Eltern sorgen dafür, dass sie den Vater des Kindes heiratet. Das würde ihr und dem Kind mehr Sicherheit geben, heisst es. Aber wohl fühlt sie sich bei ihrem Mann und seiner Familie nicht. Darum verbringt die Teenie-Mutter die meiste Zeit gemeinsam mit ihrem zweieinhalbjährigen Sohn Sunny bei ihren Eltern.

Aus der Traum von einem besseren Leben abseits der Strasse
Mani besucht nun zusammen mit ihrem Sohn Sunny die World Vision-Anlaufstelle für Strassenkinder. Hier wird gemeinsam nach Möglichkeiten gesucht, wie die Lebensumstände der jungen Mutter und ihres Sohnes verbessert werden können. Doch bei der vorherrschenden Armut ist das ein schwieriges Unterfangen.

Traurig und nachdenklich verabschiede ich mich von Mani und Sunny und kann nur hoffen, dass sie auf den Strassen Kalkuttas vor weiterem Unheil bewahrt bleiben.