«Während wir die Unabhängigkeit feiern, wünsche ich mir, dass alle Kinder, unabhängig von ihrem Geschlecht, das Recht auf Bildung erhalten, um ihre Zukunft zu erreichen», sagt die 18-jährige Nybol Abraham (Bild). Betty Adong, Advocacy and Protection Manager von World Vision, hat sich anlässlich des zehnten Unabhängigkeitstags des Südsudans Gedanken zur Rolle der Frauen im Land gemacht.


Junge Frau mit Flagge des Südsudans

Nybol Abraham engagiert sich für das Recht auf Bildung

Text: Betty Adong, Protection Manager bei World Vision

Unsere Reise in die Unabhängigkeit beginnt, sobald wir im Mutterleib gezeugt werden und bereit sind, für ein Leben herauszukommen, in der Erwartung, dass es frei von physischen und psychischen Bedrohungen ist, wie wir es alle verdienen.

Wie oft zollen wir Frauen während der Schwangerschaft und nach der Entbindung, während des Wochenbetts (das sind etwa sechs Wochen nach der Geburt) Respekt und Unterstützung? Gewähren wir ihnen die materielle, finanzielle und emotionale Unterstützung, die sie benötigen?  

Die Gender-Linse tragen!

Frauen sollten Unterstützung von ihren Familienmitgliedern erhalten. Ihre Ehemänner sollten an der Schwangerschaftsvorsorge teilnehmen und während der Entbindung in der Gesundheitseinrichtung mit dabei sein. Frauen, denen eine solche Unterstützung fehlt, entbinden am Ende allein zu Hause. Manchmal sind sie dabei auf Gedeih und Verderb ungeschulten traditionellen Geburtshelfern ausgeliefert. Damit setzen sie ihr eigenes Leben und das Leben des ungeborenen Kindes aufs Spiel.

Es ist weise, die Gender-Linse zu tragen, um den Fokus auf die Ungleichheit zu richten, die in unserer Gesellschaft existiert. Nur durch diese Linse können wir uns von jeder Art von Unterdrückung befreien und uns zu einer geschlechtergerechten, transformativen Gesellschaft entwickeln, in der Frauen, Männer, Jungen und Mädchen ein gleichberechtigtes Leben führen können.

Es ist unsere Pflicht und Verantwortung – ja, Ihre und meine -, ein förderliches Umfeld frei von Gewalt gegen Frauen und Kinder zu schaffen, um einen wirklich friedlichen Südsudan zu erreichen. Die Praxis der universellen Menschenrechte muss in unseren Herzen, in unseren Häusern beginnen, damit sie schliesslich zu nationalen und globalen Statistiken beitragen kann.

Wenn wir unsere Mädchen verheiraten, um ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen, zerstören wir mehr als dass wir retten. Aber wenn wir sie zur Schule schicken und ihre Träume unterstützen, ermöglichen wir ihnen ein Leben in Würde und Fülle.

Chancengleichheit und Würde für Mädchen und Frauen

Die Nachbarschaft, die Schule, die Fabrik, der Bauernhof oder das Büro, in dem wir arbeiten, gehören zu jenen Orten, an denen jeder Mensch oder jedes Kind nach gleicher Gerechtigkeit, mit gleichen Chancen und gleicher Würde ohne Diskriminierung strebt. Wenn diese Rechte an diesen Orten keine Bedeutung haben, haben sie überall wenig Bedeutung. Bürgerinnen und Bürger müssen sich dafür einsetzen, dass Chancengleichheit und Würde in der Nähe des eigenen Zuhauses gelebt und Diskriminierungen vermieden werden. Sonst werden wir vergeblich auf landesweite Fortschritte warten.

In Matthäus 6,19-21 sagt Jesus: «Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo Motten und Rost sie zerstören und wo Diebe einbrechen und stehlen, sondern ihr sollt euch Schätze sammeln im Himmel, wo weder Motten noch Rost sie zerstören und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein.»

Frauen und Kinder sind Schätze in der Familie und in der Gemeinde. Wie wir uns um sie kümmern, bestimmt, was aus ihnen werden wird. Wenn wir unsere Mädchen verheiraten, um ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen, zerstören wir mehr als das wir retten. Aber wenn wir sie zur Schule schicken und ihre Träume unterstützten, ermöglichen wir ihnen ein Leben in Würde und Fülle.

Möge unser zehnjähriger Unabhängigkeitstag und jede Feier danach für jedes Kind und jede Mutter im Südsudan wirklich bedeutsam sein.

Foto von Scovia Faida Charles, Kommunikationskoordinatorin World Vision