Welttag der humanitären Hilfe: Interview mit Karim Bayoud

19. August 2014

Schnee im Libanon

Sein eindrücklichstes Erlebnis hatte Karim Bayoud, als er mit seinem Team den syrischen Flüchtlingen während den Weihnachtsferien mitten in einem Schneesturm wärmende Decken und Mäntel brachte.

World Vision Schweiz: Was bedeutet für dich humanitäre Hilfe in einem Wort?
Karim Bayoud: Menschlichkeit leben. (Sorry, das sind zwei Wörter).

Wie sieht deine Arbeit bei World Vision aus?
Ich arbeite seit 2012 als Leiter der Not- und Katastrophenhilfe von World Vision Libanon für die syrischen Flüchtlinge in der Bekaa-Ebene. Unsere humanitäre Hilfe für die Menschen, die im Libanon Schutz suchen, erreicht rund 250 000 syrische Männer, Frauen und Kinder. Unsere Projekte beinhalten vor allem die Verteilung von Lebensmitteln, Hygienesets sowie die Bereitstellung von Latrinen  und lebenswichtigen Wassertanks. Ausserdem ermöglichen wir den Kindern Schulunterricht, um zu verhindern, dass ihnen wegen dem Krieg wichtige Schuljahre verloren gehen. In Kinderschutzzonen können syrische Flüchtlingskinder ihre traumatischen Erlebnisse aufarbeiten. Ich selber bin verantwortlich dafür, die laufenden Projekte im Feld zu koordinieren, neue Projekte zu implementieren, die korrekte Durchführung dieser zu überwachen und die Mitarbeitenden zu führen.

Was ist deine Motivation, als humanitärer Helfer zu arbeiten?
Ich möchte etwas zu den Werten der Menschlichkeit beitragen und den Menschen in Not praktisch helfen.

Was gefällt dir am besten an deinem Beruf?
Das Lächeln auf den Gesichtern von notleidenden Menschen, wenn sie von World Vision mit Freundlichkeit, Respekt und Würde behandelt werden.

Was sind die schwierigen Aspekte deiner täglichen Arbeit?
Die instabile Situation und die Sicherheitsrisiken, die während einer humanitären Krise mit politischen Hintergrund herrschen, machen mir zu schaffen. Ausserdem ist es schwierig, die Spannung zwischen dem Mangel an Ressourcen und der steigenden Anzahl notleidender Menschen auszuhalten. Eine gesunde Work-Life-Balance ist in einem Not- und Katastrophenfall ebenfalls schier unmöglich.

Was war die eindrücklichste Erfahrung, die du während deiner Arbeit gemacht hast?
Fast jeder Moment meiner Arbeit ist speziell: Der unermüdliche Einsatz meines Teams ist überwältigend, die Mithilfe der lokalen Bevölkerung zu erleben phänomenal und die Not der traumatisierten syrischen Flüchtlinge zu sehen bricht mir das Herz. Es gibt aber einen Moment, den ich ganz bestimmt nie mehr vergessen werde: Während den Weihnachtsferien 2012 war fast das ganze Team in den Ferien. In dieser Zeit fegte ein Schneesturm über die Bekaa-Ebene, wo die Flüchtlinge in provisorischen Zelten leben. Die Kälte, der Schnee und der dadurch entstandene Schlamm machten den Menschen dort schwer zu schaffen. Aber wegen dem andauernden Sturm war es kaum möglich, die Flüchtlinge zu erreichen. Mein Team hat sich aber dazu entschieden, trotz des Risikos zu den Flüchtlingen zu gehen und ihnen wärmende Decken und Kleider zu bringen. Ich werde den Blick in den Augen der Familien, die wir besuchten, nie mehr vergessen: Sie waren fast schockiert darüber, zu sehen, dass wir für sie unser Leben riskieren, um ihres ein bisschen besser zu machen. Es war ein unglaublich schöner Moment, in dieser schwierigen Situation den Flüchtlingen beizustehen.

Was wünscht du dir für die Zukunft?
Der Krieg in Syrien hat eine der grössten humanitären Krisen der modernen Geschichte ausgelöst, welcher Millionen von unschuldigen Zivilisten ins Elend stürzt. Die Reaktion der Weltgemeinschaft war bis jetzt nur zögerlich, da es an Ressourcen fehlt und die internationale Gemeinschaft nicht zusammen einsteht für die Millionen, die weiter leiden. Drei Jahre Syrien-Krise und täglich neue Flüchtlinge sind genug. Ich wünsche mir, dass die Weltgemeinschaft aufsteht und diese humanitäre Katastrophe beendet.

Am Welttag der humanitären Hilfe sollen die Menschen, die an der Front die Notleidenden unterstützen und oftmals ihr Leben dabei riskieren, geehrt werden. Die UNO hat den Tag 2003 zum ersten Mal ins Leben gerufen, um dem Bombenanschlag auf das UN-Gebäude in Bagdad zu gedenken. Seither wird jeweils am 19. August an die Menschen erinnert, welche bei ihrer Arbeit täglich Gefahren und Elend begegnen. Dieses Jahr steht der Tag unter dem Motto «Humanitarian Heroes» – also Helden der humanitären Hilfe.

Diesen Beitrag teilen:


Das könnte Sie auch interessieren

Verwandte Artikel

Südsudan: Ajok, 13 in Schuluniform springt mit geschlossenen Augen in die Luft.

26. Mai 2021

Die un­sicht­ba­re Pan­de­mie: Men­ta­le Ge­sund­heit in Ge­fahr

Kinder sind sehr sensibel und feinfühlig. So sehr sich viele Eltern auch bemühen, traumatische Erfahrungen und Ängste von Ihnen fernzuhalten, sie spüren es dennoch. So auch während der Corona-Krise. Weder entgeht den Kindern, wie sehr ihre Eltern um die Existenz der Familie bangen und gegen die Armut kämpfen, noch sind sie selbst davor gefeit, von der Angst vor dem Virus beherrscht zu werden.


Beirut, Libanon: Ein Mann hilft bei den Aufräumarbeiten nach der Explosion am Hafen in Beirut.

11. August 2020

Bei­rut: 3 Fol­ge-Ri­si­ken der Me­ga-Ex­p­lo­si­on

Zerstörung, Trauer, Chaos: Die Explosion im Hafen von Beirut hat viele Menschenleben gekostet. Auch langfristig birgt sie Gefahren für Libanon. Ein Überblick.


7. August 2020

Bei­rut: World Vi­si­on star­tet Hilfs­ak­ti­on

Nach der schweren Explosion im Hafen Beiruts hat World Vision eine Hilfsaktion für die betroffenen Menschen gestartet. Besonders für Kinder sind Nahrungsmittel, medizinische und psychologische Versorgung jetzt besonders wichtig.


Libanon: Blick über das zerstörte Beirut nach der verheerenden Explosion.

7. August 2020

Bei­rut: Und plötz­lich war al­les vol­ler Glas­s­p­lit­ter

Die Explosion in Beirut ist ein Desaster für ein von Wirtschafts- und Flüchtlingskrise bedrohtes Land und ein einschneidend tragisches Erlebnis für die Kinder in der Hauptstadt. Sirine, Tia, Marwa und Dina erzählen.

WIR SIND FÜR SIE DA:

Kinderhilfswerk
WORLD VISION
World Vision Schweiz und Liechtenstein
Kriesbachstrasse 30
8600 Dübendorf

info@worldvision.ch
T +41 44 510 15 15

Zertifizierungen

Wir sind mehrfach anerkannt durch nationale und internationale Gütesiegel.

World Vision ist die Sicherheit und Privatsphäre der Kinder in unseren Patenschafts-Programmen ein grosses Anliegen. [ ]

Wenn Sie Grund zur Annahme haben, dass eines dieser Kinder gefährdet ist, geben Sie uns bitte umgehend Bescheid: Rufen Sie uns an unter +41 44 510 15 93 oder schicken Sie uns ein E-Mail an protection@worldvision.ch.

Verantwortungsvolle Kommunikation

Wir verpflichten uns gemäss dem Manifest von AllianceSud für eine verantwortungsvolle Kommunikation über unsere Projektarbeit. 

Newsletter abonnieren

instagram

 

 

 

 

ALLGEMEINE SPENDEN    PostFinance: IBAN CH12 0900 0000 8000 0093 1

World Vision Schweiz und Liechtenstein ist eine gemeinnützige und somit steuerbefreite Organisation. CHE-333.958.696

World Vision verwendet Cookies, um Ihr Online-Erlebnis zu verbessern.
Mit der weiteren Nutzung von worldvision.ch akzeptieren Sie unsere Datenschutzbestimmungen